"Religionsfreiheit als Totschlagargument"
Die Debatte um das Burka-Verbot
Frauen, die tatsächlich eine Burka tragen, gibt es nur wenige in Norddeutschland. Und dennoch erhitzt zurzeit kaum ein Thema so sehr die Gemüter, wie die Diskussion um die Vollverschleierung. Auch unter Muslimen wird das Thema durchaus kontrovers gesehen. Viele sind dagegen, argumentieren u.a. mit der Religionsfreiheit und dem Recht auf Selbstbestimmung der Frau. Anders unsere Gastautorin Seyran Ates. Die Frauenrechtlerin und Anwältin plädiert für ein Verbot der Burka.
Ein Kommentar von Seyran Ates
Es ist beeindruckend und sehr auffällig, dass sich wieder sehr viele weiße Männer gegen ein Burka-Verbot aussprechen. Ähnlich wie bei dem Thema Kopftuch. Sie gefallen sich darin, den rechten Rand der Politik zu beschimpfen und auf mangelnde Sensibilität beim Thema Fremdenfeindlichkeit hinzuweisen. Männer führen Abrechnungen über den Kopf der Frauen hinweg. Die einen missbrauchen die Burka-Debatte für ihren Wahlkampf, die anderen wollen sich damit als die besseren Demokraten und Deutschen profilieren.
Ich ziehe es vor, mich nicht nur in Deutschland, sondern weltweit mit den Frauen zu solidarisieren, die gegen die Verschleierung und somit gegen die Verdinglichung und Entmenschlichung der Frauen kämpfen. Auch der Westen hat die verdammte Pflicht, beim Thema Verschleierung über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und zu schauen, welches Leid Frauen in der islamischen Welt wegen der Halb- oder Vollverschleierung ertragen müssen.
Eine einfache Antwort auf eine sehr komplizierte Frage
Wir leben in einer freien Welt und jede Frau soll frei entscheiden, ob sie sich halb oder voll verschleiert. Mit diesem Argument gibt man eine schöne einfache Antwort auf eine der kompliziertesten Fragen, mit der sich die islamische Welt, vor allem Frauenrechtlerinnen, auseinandersetzen müssen.
Die Vollverschleierung, also das Tragen der Burka, ist in Deutschland zwar äußerst selten, die Teilverschleierung nimmt allerdings deutlich zu. Noch vor 20 Jahren gab es bei uns kaum ein Kind, das im Kindergarten oder in der Grundschule ein Kopftuch trug. Mittlerweile hat sich diese Gesellschaft so sehr daran gewöhnt, dass auch kleine Mädchen Kopftücher tragen, dass kaum noch jemand sich dieser Frage aus dem Blickwinkel der Gleichberechtigung der Geschlechter nähert. Die Religionsfreiheit ist das Totschlagargument. Vor allem wenn es um Frauenrechte geht.
Gleichberechtigung nur für Nichtmuslime?
Viele Menschen in Europa, vor allem auch Nichtmuslime, machen es sich sehr einfach, indem sie die Verschleierung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Religionsfreiheit sehen. Als Frauenrechtlerin wundert mich das nicht.
Sollen die Muslime doch mit ihren Frauen machen, was sie wollen - das ist der Hintergedanke, den ich unterstelle. Denn anders lässt sich nicht erklären, dass die Anwälte der Religionsfreiheit sich kein bisschen Gedanken darüber machen wollen, dass Frauen so etwas wie die Gleichberechtigung der Geschlechter in vielen Jahrhunderten erkämpft und gegen massive Widerstände in unserem Grundgesetz verankert haben. Gilt das Recht auf Gleichberechtigung der Geschlechter in Deutschland nur für Nichtmuslime?
Rein rechtlich gibt es aus meiner Sicht kein Problem mit einem Burka-Verbot. Mann und Frau müssen es nur wollen.