Muslimische Paten für Flüchtlinge
Muslime engagieren sich viel zu wenig in der Flüchtlingshilfe - denken immer noch viele. Das stimmt aber gar nicht, denn sie sind da wesentlich aktiver als Christen etwa: Fast jeder zweite Muslim setzt sich für Flüchtlinge ein. Das zeigt auch die aktuelle Auftaktstudie des Religionsmonitors der Bertelsmann Stiftung. Ein Beispiel von vielen ist das Patenschaftsbüro in Schwerin, dessen Ziel es ist, Patenschaften zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen zu vermitteln.
Im Schaufenster der Schweriner Puschkinstraße Nummer 35 gibt es keine Auslagen. Wer hineinschaut, sieht eine Gruppe junger, dunkelhaariger Männer um einen langen Tisch sitzen. Die meisten Passanten gehen schnell vorbei. Heike Sobanski tritt vor die Ladentür und zündet sich eine Zigarette an: "Wir suchen Schweriner mit ein bißchen Zeit und 'nem großen Herz, die versuchen, unseren Neuschwerinern den Start ins Leben so ein bißchen zu erleichtern."

Seit fünf Monaten kommen jeden Tag Flüchtlinge hierher, die etwas nicht verstehen in ihrem neuen Leben. Alle haben irgendwelche Papiere von Behörden, Schulen und Ärzten mitgebracht - bei Heike Sobanski und ihrem Kollegen Hamoud Aldghim läuft alles auf. "Die meisten brauchen mehr Bildung. Die meisten, die ich kenne aus meiner Heimat, die wollen wirklich arbeiten. Aber die Schwierigkeit ist die Sprache. Woher kann man die aktiv bekommen? Von Freunden", erklärt Hamoud Aldghim.
Wichtige Brückenbauer
Der 27jährige Syrer ist seit fast zwei Jahren in Deutschland. Bevor er die Stelle im Patenschaftsbüro bekam, setzte er sich - wie auch seine deutsche Kollegin - ehrenamtlich für Flüchtlinge ein. Muslime wie Hamoud Aldghim seien "wichtige Brückenbauer in unserer Gesellschaft", so das Ergebnis einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung. Fast jeder zweite Muslim engagierte sich demnach im vergangenen Jahr ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe. Ostdeutsche setzen sich prozentual zwar weniger ein als Westdeutsche, dafür sind sie jedoch intensiver dabei: Jeder fünfte ostdeutsche Flüchtlingshelfer hilft regelmäßig mehrmals in der Woche; unter den westdeutschen Engagierten ist nur jeder Zehnte so aktiv.

Rahaf Mughli sitzt mit ihrem einjährigen Sohn Amir in der Spielecke des Patenschaftsbüros. Deutsch hat sie allein Zuhause am Computer gelernt - und mit Hilfe von zwei Patinnen. Von der Patenschafts-Idee ist sie überzeugt: "Alle Leute brauchen Hilfe, ausfüllen von Briefen, treffen zusammen, machen Ferien für Kinder, gehen auch einmal im Spielplatz spielen. Wirklich gute Idee."
Weitere Paten gesucht
Die jedoch offenbar nicht so leicht umzusetzen ist, denn bisher haben sich in Schwerin erst 25 Paten gefunden, fast 100 meist syrische Familien suchen noch Unterstützung. Es gibt andere Vereine, die sich schon länger als das Patenschaftsbüro um Flüchtlinge kümmern. Ist der Pool der Hilfsbereiten damit erschöpft oder spielen auch Vorbehalte gegenüber Muslimen eine Rolle?

"Jede Gesellschaft hat die Guten und die Schlechten. Wir machen immer Fokus auf die Schlechten von refugees. Wenn ein Mann macht das Schlechte, dann ab morgen in Zeitungen und Media: Die refugee macht das. Nein, nicht die refugee, sondern ein Mann macht das und das", sagt Hamoud Aldghim.
Starthilfe für den Neuanfang
Heike Sobanski selbst geht mit gutem Beispiel voran: Sie übernahm die Patenschaft für Hamouds Frau, die mit der zweijährigen Aya erst vor wenigen Monaten nach Deutschland kam. Und Heikes 15-jährige Tochter Jadwiga kümmert sich als Patin um das kleine Mädchen. Was hat Aya mit Landsleuten zu tun, die sich nicht benehmen? Die Neuntklässlerin befindet: Nullkommanix. Deshalb hilft sie.
Sie erzählt: "Nicht alle gleich über einen Kamm scheren. Es gibt solche und solche, das mag sein. Aber es gibt wirklich nette Menschen, auch syrische Menschen, und die sind wirklich dankbar für jede kleine Hilfe. Ich möchte Aya in ihrer weiteren Zukunft begleiten und ihr auch helfen, wo ich kann. Gerade, weil sie ja neu in Schwerin sind, bzw. in Deutschland, ist es wichtig, daß sie so eine kleine Starthilfe bekommen. Und da kann man schon was mit erreichen."
