Karfreitag aus muslimischer Sicht
Karfreitag ist einer der wichtigsten Feiertage für Christen. Sie gedenken des Todes Jesu. Aber wie stehen die vielen Muslime hierzulande zu den christlichen Feiertagen? Sind es Tage wie alle anderen auch?
Für die Pflegedienstleiterin Nadia Bouazzi Ouldaly ist Karfreitag ein Tag wie jeder andere. Die Patientinnen und Patienten müssen versorgt werden, wie zum Beispiel Frau Just, deren Zuckerwerte deutlich erhöht sind. Seit zwei Jahren betreut Nadia die 86-Jährige, die keine Angehörigen mehr hat. Heute hat sie, die gläubige Muslimin, ihrer katholischen Patientin ein selbst gebackenes Osterlamm mitgebracht, da sie weiß, wie wichtig dieses Symbol im Christentum ist.
Die Freude der Seniorin ist sehr groß, aber auch Nadia Bouazzi Ouldaly freut sich. Denn sonst ist sie diejenige, die Präsente von den Patientinnen und Patienten bekommt. "Egal ob Weihnachten oder Ostern - die Patientinnen und Patienten schenken immer was", erzählt Nadia Bouazzi Ouldaly. "Egal ob fürs Büro, für meinen Sohn oder für mich. Es beruht immer auf Gegenseitigkeit. Das hat überhaupt nichts mit der Religion zu tun. Und selbst wenn, Jesus ist ein Prophet, der im Islam verehrt wird. Das ist ein Präsent, das mich an einen wichtigen Propheten im Islam erinnert. Auch wenn wir nicht dieselben Feiertage feiern. Genauso ist es für mich selbstverständlich, den Patienten zum Zuckerfest und Opferfest etwas zu schenken, was sie dankend annehmen. Ich schenke und werde beschenkt."
Jesus im Islam: Nicht Sohn, sondern ein Diener Gottes
Mit 21 Jahren war der heute 33-jährigen Muslimin klar, dass sie ihren Traum verwirklichen und einen Pflegedienst eröffnen wollte. Sie versorgt Menschen aus verschiedenen Ländern und Religionen. Aber der Großteil der Pflegebedürftigen sind Christen, die mittlerweile wissen, dass sie Nadia im Ramadan kein Wasser anbieten dürfen, da sie fastet. Aber dass Jesus im Islam ein großer Prophet ist, wissen die wenigsten. "Viele Menschen denken, dass es im Islam nur Mohammed als Prophet gibt, aber das stimmt nicht", betont Nadia Bouazzi Ouldaly. "Alle Propheten, die in der Bibel erwähnt werden, gibt es auch im Islam. Diese Erzählungen sind fast dieselben. Nur dass wir sagen, dass Jesus nicht Gottes Sohn ist, sondern, dass er ein Diener Gottes ist."
Die Trinität, das Sterben von Jesus am Kreuz und das Auferstehen nach 40 Tagen - damit haben die meisten Muslime Schwierigkeiten. Denn in Sure 4, Vers 157 heißt es: "Sie haben ihn nicht getötet, mit Gewissheit nicht. Vielmehr hat Gott ihn hin zu sich erhoben."
Jesus wird häufiger im Koran erwähnt als Mohammed
In allen Suren, die sich mit Jesus beschäftigen, wird deutlich, dass der Koran ein sehr positives Verhältnis zu ihm hat. So wird Jesus im Koran häufiger erwähnt als Mohammed, der Verkünder des Islam.
"Wir glauben, dass das alles Propheten sind, und jeder hatte seine Aufgabe. Bei Jesus ist der gravierende Unterschied, dass er nicht Gottes Sohn ist und nicht für die Sünden der Menschen gestorben ist. Wir respektieren ihn als Propheten, wir lieben und ehren ihn."
