Islamberatung für Kommunen: Ein Vorbild auch für Norddeutschland?
Hussein Hamdan arbeitet in Baden-Württemberg als Islamberater. Er berät Kommunen bei Fragen des Zusammenlebens. Wäre ein solches System auch in Norddeutschland denkbar?
Hussein Hamdan leitet seit 2015 das Projekt "Muslime als Partner in Baden-Württemberg"; getragen von der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart. Rund 230 Mal haben Hussein Hamdan und seine Mitarbeiter Kommunen beraten, erbetene Informationen geliefert und Einschätzungen abgegeben.
"Klassische Themen sind zum Beispiel, wenn es um die Vergabe von Räumlichkeiten an islamische Gruppen und Gemeinden geht, Moscheebau-Prozesse und die Entstehung von islamischen Gräberfeldern. Das wichtigste Thema ist aber, seit wir mit der Islamberatung angefangen haben, nach wie vor die Einordnung islamischer Gruppen und der Umgang mit ihnen in bestimmten Situationen", fasst Hussein Hamdan seine bisherige Arbeit zusammen.
Beratungen sind vertraulich
Die Beratungen sind bislang kostenlos. Wichtig ist aber aus Sicht der Kommunen ein weiterer Aspekt: die Anfragen werden vertraulich behandelt. "Wenn wir eine Beratung starten, dann sagen wir den Kommunen immer, dass sie selbst entscheiden können, ob sie das öffentlich machen wollen. Und ich glaube, das gibt den Kommunen ein bisschen Sicherheit und nimmt ihnen dann vielleicht auch ein bisschen die Ängste", so Hamdan.
In der Praxis entscheiden sich fast alle Kommunen dafür, die Beratungen nicht öffentlich zu machen. Aber genau diese Vertraulichkeit ist es, die bei muslimischen Verbänden Skepsis weckt. Werden hier hinter ihrem Rücken Entscheidungen gefällt, ohne dass sie sich selbst einbringen können, ohne dass sie überhaupt von dem ganzen Vorgang etwas erfahren?
"Islamberatung ersetzt nicht den direkten Kontakt mit den Menschen"
Sadiqu Al-Mousslie, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime Niedersachsen, lehnt eine Islamberatung nach süddeutschem Vorbild zwar nicht grundsätzlich ab, meint aber: "Es ersetzt nicht den direkten Kontakt mit den Muslimen vor Ort. Weil man sich da auch fragen muss: Wo ist dann das gemeinsame Vertrauen, wo ist dann die gemeinsame Basis, wenn man sich nur auf die Beratung eines Menschen verlässt, aber nicht auf den direkten Kontakt mit den Leuten? Das Ganze ist eine schöne Sache, als Vermittlung, als erster Schritt; aber es ersetzt nicht den direkten Kontakt mit den Menschen."
Bleibt die Frage, ob die Kommunen in Norddeutschland selbst einen Bedarf sehen. Bei einer Abfrage von Delmenhorst, über Hildesheim, Celle, Wismar bis Rostock heißt es übereinstimmend: Eine landesweite Islamberatung sei zwar grundsätzlich zu begrüßen, aber für den Kontakt mit den Muslimen vor Ort habe man ja die Integrationsbeauftragten. Islamberater Hussein Hamdan überzeugt das nicht: "Wir haben in Baden-Württemberg auch Integrationsbeauftragte in jeder Kommune, und ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele unserer Integrationsbeauftragten mit viel Herzblut an die Themen herangehen und sich trotzdem beraten lassen."
Hoher Informationsbedarf, nicht nur bei Kommunen
Die Frage, wer alles beraten werden muss und von wem, ist also durchaus offen. Judith Strohm von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, die im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz muslimische Gemeindeprojekte in Ostdeutschland unterstützt - darunter auch in Mecklenburg-Vorpommern -, sieht einen Informationsbedarf, der weit über die Kommunen und die Verwaltungen hinausgeht: "Sei es bei dem Handwerker vor Ort, der sich fragt: Was bedeutet es eigentlich, wenn ich einen muslimischen Azubi aufnehme? Bedeutet das etwas für das schon bestehende Team? Was bedeutet das möglicherweise für die Kundschaft, was hat das für Konsequenzen? Ich fände gut, wenn es Instanzen, Fachstellen gäbe, die für alle Interessierten ansprechbar sind. Diese Instanzen, wo man sich beraten lassen kann, fehlen aktuell."