"Auch Muslime feiern Weihnachten"
Bald ist Weihnachten - das Fest der Geburt von Jesus Christus. Die Feiertage gehören für Christen zu den wichtigsten des Jahres. Mit Gottesdienst, Tannenbaum, Festtagsessen und Bescherung. Welche Bedeutung aber hat das christliche Familienfest für Muslime in Deutschland? Weihnachten ist auch für viele Muslime und Nichtchristen eine besondere Zeit, meint unsere Gastautorin, die Journalistin Lamya Kaddor.
Ein Kommentar von Lamya Kaddor
Vor Weihnachten, ich mochte es kaum glauben, kämen die meisten Kunden im Jahresverlauf, sagt Dominik. Dominik ist mein katholischer Friseur, der zum Buddhismus konvertieren möchte. Zusätzliche Termine könne er im Dezember kaum annehmen, ächzt er, jeder wolle vor dem großen Fest perfekt aussehen. Das überrascht mich, hätte ich doch eher gedacht, im Frühjahr, der Zeit des Aufbruchs und der Erneuerung, gingen die meisten zum Friseur. Aber offenbar kann man die Bedeutung von Weihnachten nicht hoch genug einschätzen.
Schon Anfang Dezember, erzählt Dominik, habe er seinen Weihnachtsbaum aufgestellt und geschmückt. Zum Beleg zückt er sein Handy. Sein Baum reicht vom Boden bis zur Decke. Ein gewaltiges Exemplar. Als ich ihn frage, wie er als angehender Buddhist dazu komme, kontert er: "Hast Du als gute Muslimin etwa keinen im Haus stehen?" Viele seiner türkischstämmigen Kunden hätten einen. Wegen der Kinder.
Warum auch nicht als Muslimin Weihnachten feiern?
Seine Worte versetzen mich in die Vergangenheit. Ich muss an meinen Geburtsort Ahlen in Westfalen denken. Bei uns und bei meinen muslimischen Freunden standen damals nie irgendwelche Weihnachtsbäume zuhause oder andere Hinweise auf die Geburt Jesu. Aber im Laufe der Jahre scheint sich da etwas geändert zu haben. Kulturwissenschaftler und Ethnologen berichten schon länger davon.
Nichtchristen pilgern auf Weihnachtsmärkte, stellen Stiefel für den Nikolaus auf, Lichterschmuck erstrahlt in ihren Fenstern, ein "Stern über Bethlehem" weist Besuchern den Weg zur Eingangstür. Selbst meine Jugendfreundin Mürvet, die gänzlich unverdächtig ist, Weihnachten zu feiern, schmückt ihr Wohnzimmer heute mit Sternen und einem Adventskranz - passend natürlich zu den Farben ihres Wohnzimmers. Ja, und auch ich feiere mit dem christlichen Teil meiner inzwischen multireligiösen und multikulturellen Familie Weihnachten. Warum auch nicht?
Weihnachten - für viele nicht nur ein religiöses Fest
Natürlich ist Weihnachten religiösen Ursprungs und jeder gläubige Christ sollte bemüht sein, das Fest als religiöses Fest zu sehen. Jedes Jahr aufs Neue zeigen Umfragen, dass viele nicht wissen, was Jesus mit diesem Fest zu tun hat. Selbst die Kirchen sind an Heiligabend leerer als noch vor 20 Jahren.
Dafür lassen nun Andersgläubige und Atheisten das Christkind die Geschenke für ihre Kinder bringen. Nicht nur hierzulande. Ob in Japan, China, Indien, Indonesien, Dubai oder anderen nicht-christlich geprägten Ländern - überall stehen geschmückte Tannenbäume, und Weihnachtslieder schallen durch Einkaufszentren. Weihnachten wird offenkundig von vielen inzwischen religions- und kulturübergreifend wahrgenommen. Dadurch unterscheidet es sich von anderen großen religiösen Festen.
Das Familienfest fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt
Das hat gewiss mit der Kommerzialisierung zu tun, aber nicht nur. Weihnachten in Deutschland ist eine Zeit, in der wir alle drei Tage lang ausgebremst werden: Geschäfte zu, öffentliche Unterhaltungsangebote reduziert, Freunde beschäftigt. Viele Muslime haben aus der Not eine Tugend gemacht. Auch sie treffen sich nun mit ihren Familien, bereiten viel und gutes Essen vor, beschenken sich gegenseitig.
Manche Christen und Muslime mögen bei dieser Vorstellung an die Decke gehen, über Gleichmacherei schimpfen, gar Ketzerei. Aber wer in seiner Religion oder auch in seiner Ablehnung von Religion gefestigt ist, dem können drei Weihnachtsfeiertage nichts anhaben. Also warum sich nicht pragmatisch darauf einlassen?
Weihnachten ist heute weit mehr als ein christliches Fest. Es ist zu etwas Verbindendem geworden. Es fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt. So lasst uns Weihnachten gemeinsam bewahren und feiern. Frohe Weihnachten, Ihnen allen.
