Eine Frau schminkt sich und blickt dabei lächelnd auf ein Handy, das auf einem Stativ vor ihr steht. © picture alliance / Westend61 | Maria Diachenko
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Wie Social Media unsere Vorstellungen von Attraktivität verschiebt

Stand: 20.02.2024 09:11 Uhr

Posen, filtern, aufhübschen: Im Interview spricht der Attraktivitäts-Forscher und Soziologe Ulrich Rosar über Schönheit in Zeiten von TikTok und Instagram - und erklärt, warum Julia Roberts eigentlich zu breiter Mund sie besonders attraktiv macht.

Schöne Menschen haben durchaus Vorteile im Leben - das sagt der Attraktivitätsforscher und Soziologe Ulrich Rosar von der Uni Düsseldorf. Attraktive Politikerinnen und Politiker schneiden bei Wahlen angeblich besser ab und generell scheinen wir schönen Menschen einen guten Charakter zuzuschreiben, sie eher für vertrauenswürdiger und zuverlässiger zu halten als unattraktive Menschen. Dabei streben immer mehr Menschen nach Idealen, die sie allein mit Sport und Beauty-Produkten nicht erreichen: Schönheitsoperationen stehen hoch im Kurs. 

Herr Rosar, warum gibt es immer mehr Schönheitsoperationen? 

Ulrich Rosar: Das liegt daran, dass Schönheit in nahezu allen Lebensbereichen einen klaren Wettbewerbsvorteil darstellt und Schönheitsoperationen immer mehr Möglichkeiten bieten. Außerdem werden sie immer erschwinglicher, selbst für Leute, die sich das vor 20 oder 30 Jahren nicht hätten leisten können.

Wenn wir so darauf gepolt sind, nach dem Äußeren zu gehen - welche Rolle spielen dann TikTok, Instagram und Co.? 

Rosar: Wahrscheinlich keine gute. Wir können klare Zusammenhänge erkennen zwischen Körperbildstörungen junger Menschen, Bulimie oder Magersucht und der Nutzung einschlägiger Social-Media-Angebote. Auch wenn wir nicht sagen können, was da Henne und was Ei ist, dürfte die Nutzung jedenfalls die Tendenz in der Krankheit verstärken.

Unser Verständnis von Schönheit wird ja total dadurch geprägt, dass man dort immer nur perfekte Gesichter und perfekte Körper sieht. 

Rosar: Das ist richtig. Selbst wenn uns bewusst ist, dass in Social Media sehr oft gefiltert und geposed wird: Die Bilder wirken trotzdem für sich. Schon alleine deswegen, weil wir es uns nicht jedes Mal explizit bewusst machen. Und sie verschieben eben ein Stück weit unsere Vorstellung davon, was hinsichtlich Attraktivität erreichbar oder eben auch normal sein sollte. Dadurch erscheinen uns alltägliche Menschen, die uns im wahren Leben begegnen, dann vermeintlich weniger attraktiv. 

Überall wird ja, zu Recht, Diversität inzwischen großgeschrieben. Nur: Wenn alle die gleiche Optik haben, ist ja gar keine Diversität mehr möglich.

Rosar: Da sprechen Sie einen sehr interessanten Punkt an. Wenn man allen Merkmalen, die für die Attraktivität wichtig sind, nacheifert,  aber nur diesen Punkten nacheifert, dann wird es irgendwann langweilig. Ein Beispiel: Die Ebenmäßigkeit im Gesicht und die statistische Durchschnittlichkeit der Proportion ist für die Attraktivität sehr wichtig, aber dadurch geht auch jede Individualität flöten. Auch wirkt es dann oft künstlich, weil niemand so geboren wird. Wir haben alle kleine Asymmetrien, wir haben alle eine etwas zu große oder eine etwas zu kleine Nase, statistisch gesehen, und das macht aber unsere Besonderheit aus. Wenn es nur noch uniform ist, ist es auch langweilig.

Dann ist da ja auch noch die Frage: Was macht unseren Begriff von Schönheit eigentlich aus? Wer bestimmt das eigentlich? Stoßen Sie bei Ihren Forschungen auf irgendetwas Übergeordnetes, was über alle Moden hinweg alle Menschen immer gleich schön fanden?

Rosar: Alles, was auf Gesundheit und Fitness deutet, ist relativ resistent gegenüber modischen Veränderungen. Sie werden nie erleben, dass eine Frau oder ein Mann, der sehr alt ist, als attraktiver wahrgenommen wird als dieselbe Person in jungen Jahren. Zum Beispiel werden glatte Haut-Texturen ohne Aknenarben immer als attraktiv wahrgenommen. Bis zu einem gewissen Grad ist Symmetrie eben auch wichtig, die Annäherung an den statistischen Durchschnitt. Aber hier ist es eben auch so: Es darf nicht uniform, nicht langweilig werden. Man braucht das gewisse Etwas, das Individualität ausstrahlt. Julia Roberts, die ja gerade wieder eine Renaissance als Schauspielerin erlebt, hat eigentlich einen viel zu breiten Mund. Aber genau diese Abweichung von der Norm ist das Momentum, was sie besonders attraktiv macht. Das ist durch eine kleine Experimental-Studie einmal  nachgewiesen worden, in der man den Mund von ihr künstlich auf das Normalmaß verkleinert hat. Dann hat man die Fotos, das Original und das retuschierte Bild, Personen vorgelegt, die Julia Roberts nicht kannten. Das Originalfoto wurde tatsächlich, wenig überraschend, als attraktiver bewertet, weil es sich von der  Masse abhob.

Wie steht es denn mit der vielbeschworenen inneren Schönheit?

Rosar: Innere Schönheit kann man nicht direkt beobachten (lacht). Aber natürlich spielt das, was wir in der Attraktivität als Schönheit betrachten, nicht ausschließlich eine Rolle. Es gibt noch so etwas wie Charisma, Esprit und Ausstrahlung. Die Körpersprache oder Mimik, die jemand an den Tag legt, sind natürlich auch Merkmale, die uns für andere Menschen anziehend oder abstoßend machen können. Das liegt dann möglicherweise viel stärker im Auge des Betrachters. Aber das ist halt nicht unser Forschungsfeld. 

Das Gespräch führte Julia Westlake.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 20.02.2024 | 16:20 Uhr

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