Szene aus "La Boum" mit Sophie Marceau. © picture alliance / United Archives | United Archives/Impress

Von "La Boum" bis "Reservoir Dogs": Klassiker-Revival im Kino

Stand: 15.06.2022 16:45 Uhr

Die zugkräftigen Filme im Kino sind Blockbuster wie "Jurassic World". Allerdings tauchten zuletzt häufiger altbekannte Filmtitel auf. Die Reihe "Best of Cinema" bringt jeden ersten Dienstag im Monat einen Klassiker zurück auf die Leinwand.

von Walli Müller

Kino kann ja so magisch sein: An diesem Dienstagabend im Juni sind kichernde Mittfünfziger plötzlich wieder 14, weil in der Reihe "Best of Cinema" "La Boum - Die Fete" läuft - DER Teeniefilm der 1980er-Jahre mit Sophie Marceau.

"Sie will auf so eine Superfete am Samstag."
"Eine Fete, keine Superfete!"
"Und wo ist die?"
"Bei irgend so einem Typen."
"Hast du die Adresse, die Telefonnummer?"
"Nein, gehen ja alle hin. Da werde ich auch hin finden!" Filmzitat "La Boum"

Im Kinosaal sitzen auch junge Pärchen, vor allem aber Freundinnen Ü50, die bisher noch nicht Stammgast der Klassikerreihe waren: "Das war wirklich, weil er da nochmal gezeigt wurde. Im Kino ist das natürlich noch einmal etwas anderes!" Und: "Wenn das öfter wäre, besonders französische [Filme], das wäre schon toll."

Filmklassikern wieder ein Zuhause im Kino geben

Das hört Torsten Radeck gerne. Er ist beim Verleih Studiocanal, der hinter der "Best of Cinema"-Reihe steht, und ist verantwortlich für die Marke "Arthaus" - besondere Filme quer durch alle Genres, die filmhistorisch interessant sind und für den Heimkinomarkt oft aufwendig restauriert werden. Radeck liegt es am Herzen, diese Werke wieder im Kino zugänglich zu machen: "Corona hat viel mit Streaming gemacht und viele haben sich dran gewöhnt, Filme zu Hause zu genießen - weil es eine ganze Zeit lang nicht anders ging. Aber wir, die mit Kino aufgewachsen sind, wissen, was es bedeutet, 'Apocalypse Now' auf der großen Leinwand in einem dunklen Kinosaal gesehen zu haben. Uns ist wichtig, dass man diesen Klassikern wieder ein Zuhause im Kino gibt und das einer neuen Generation von Kinogängern zu ermöglichen."

Um so wichtiger, dass die großen Multiplex-Kinos bei "Best of Cinema" mit im Boot sind, denn hier ist die jüngere Zielgruppe eher zu Gast. So hat auch der 16-jährige Max "La Boum" für sich entdeckt: "Ich fand interessant, dass die alle so einfach tanzen konnten. Und dass die sich so aufgemacht haben mit diesem Style, den man heute wieder als cool definieren würde."

Etablierung einer Kinokultur nach französischem und englischem Vorbild

Die nächsten Filme in der Reihe "Best of Cinema"

5.7.: "Léon - Der Profi"
2.8.: "Tiger and Dragon"
6.9.: "Highlander"
4.10.: "Reservoir Dogs"
1.11.: "Die Klapperschlange"
6.12.: "African Queen"

Natürlich kann man mit einem Film von gestern keinen Blockbuster von heute toppen. Aber darum geht es Torsten Radeck auch nicht. Wenn für ein klassisches Werk wie "Apocalypse Now" an einem Abend deutschlandweit 12.000 Tickets gelöst werden oder für "Terminator 2" sogar 30.000, dann sei das ein voller Erfolg. Gleichzeitig bringt es die Filme wieder ins Gespräch, was sich positiv auf den Absatz von DVDs und Streams auswirkt. "Per se sollen sich diese Wiederaufführungen im Kino lohnen", sagt Radeck. "Es ist nicht so, dass wir reine Romantik an den Tag legen. Dieser Liebhabereffekt vermischt mit einem wirtschaftlichen ist natürlich ein Ziel."

Auch das Paramount-Studio hat zuletzt mit dem "Paten" einen Klassiker zurück ins Kino gebracht - als Event zum 50-jährigen Jubiläum. Studiocanal aber verfolgt das Ziel, eine ganz neue Kinokultur in Deutschland zu etablieren, so Radeck. Denn bisher sind Repertoirekinos hierzulande extrem rar: "Natürlich schauen wir wehmütig teils nach Paris, teils nach London, wo das Teil der Kinokultur ist, wo die Leute hingehen und das Angebot da ist", erzählt Radeck. "Die Herausforderung ist, dass man in Deutschland so eine Art neues Marktsegment begründet, was vorher nicht da war."

Filmhistoriker Michael Ranze: "Film hat den Makel der Unterhaltung"

Tatsächlich wird anderswo das filmhistorische Erbe viel mehr gepflegt, bestätigt der Filmkritiker und -historiker Michael Ranze. Im cinephilen Frankreich stehe die Filmkunst gleichberechtigt neben Literatur, Oper und Theater. "Ein anderes schönes Beispiel ist Italien, wo die sehr auf die Filmgeschichte zurückblicken, wo sie sogar ein filmgeschichtliches Festival in Bologna haben", sagt Ranze. "In Deutschland gilt die Literatur, das Theater immer noch ein bisschen mehr. Film hat immer ein bisschen den Makel der Unterhaltung."

Kino-KUNST bringt Studiocanal aktuell mit einem Meisterwerk der 1990er-Jahre zurück in die Kinos: "Das Piano" von Jane Campion wurde in hochauflösender 4k-Bildqualität restauriert. Spannend nicht nur für die, die damals schon fasziniert waren von dieser Dreiecksgeschichte mit Klavier, sondern vielleicht auch für eine neue Zielgruppe, nachdem die Regisseurin erst kürzlich den Regie-Oscar für "The Power of the Dog" gewonnen hat. Am 14. Juli startet Fellinis "La Dolce Vita", ebenfalls in 4k-Optik. Die Reihe "Best of Cinema" bringt in den kommenden Monaten "Léon, der Profi", "Tiger and Dragon" und Tarantinos "Reservoir Dogs" dorthin zurück, wo sie immer noch die beste Figur machen: die große Leinwand.

In der Reihe "Klassiker Sneak Review" zeigt das Metropolis Kino in Hamburg jeden zweiten Donnerstag im Monat einen Überraschungsfilm mit filmhistorischer Einführung. Fester Bestandteil des Programms ist auch die Reihe "Blick ins Archiv".

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 16.06.2022 | 08:00 Uhr

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