Das Sharoun Theater Wolfsburg © Sharoun Theater Wolfsburg

Scharoun Theater Wolfsburg: "Die Corona-Schule hat uns vieles gelehrt"

Stand: 21.05.2022 06:00 Uhr

Das Scharoun Theater Wolfsburg entführt sein Publikum in eine Welt voller Leidenschaft, Dramatik, spannender und unterhaltender Momente. Wie ist das Theater durch die Corona-Pandemie gekommen und was erwartet uns in der neuen Spielzeit?

Ein Gespräch mit dem Intendanten und Geschäftsführer Dirk Lattemann und dem Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/Dramaturgie Christian Mädler.

Dirk Lattemann: Das Theater hat für die Stadt Wolfsburg eine herausragende Bedeutung, nicht nur architektonisch, sondern auch als Kulturinstitution. Wir haben fast 200 Veranstaltungen, die wir in der Spielzeit durchführen. Und natürlich haben wir einen Kulturauftrag und versorgen die Stadt Wolfsburg und die Region mit Kultur. Von daher hat dieses Theater architektonisch eine immens große Bedeutung.

Es ist architektonisch eine Sensation - warum?

Christian Mädler: Wolfsburg ist eine sehr junge Stadt, und das bietet dieser Stadt viele Möglichkeiten. So haben sich dort viele weltberühmte Architekten verewigt. Nicht nur Hans Scharoun, den man auch von der Berliner Philharmonie und von vielen anderen Gebäuden kennt, auch Alvar Aalto hat sich dort mit seinem Kulturhaus und zwei weiteren Kirchen verewigt. Wir haben das phaeno, wir haben das große Kunstmuseum - Wolfsburg ist eine architektonisch hochinteressante, spannende Stadt, und das Scharoun Theater ist einer der vielen Leuchttürme dort, die in die Region strahlen.

Was macht für Dich dieses Theater so besonders?

Mädler: Dieses Theater ist auf seine Art und Weise klassisch. Was mich besonders fasziniert, ist die Herangehensweise Hans Scharouns an dieses Bauwerk. Nicht nur die Architektur an sich, die wirklich faszinierend ist, sondern auch die gesamte Philosophie, die hinter diesem Bauwerk steckt, inklusive der Funktionalität. Hans Scharoun hat bis fast in die letzte Schraube darauf geachtet, dass dieses Theater auch als Theater genutzt werden kann, als sozialer Raum, als Begegnungsstätte. Das wird uns von vielen Ensembles aus der ganzen Welt immer wieder gespiegelt.

Dirk Lattemann, Du bist seit 2019 Intendant und Geschäftsführer des Scharoun Theaters Wolfsburg. Wie war die Situation für Dich und auch für das Theater während der Corona-Pandemie?

Lattemann: Es war eine schwierige Situation. Ich habe 2019 begonnen mit der Planung für die erste Spielzeit, die ich zu verantworten hatte, 2021, und als wir im September 2020 angefangen haben, war die Corona-Pandemie voll da. Wir haben 18 Veranstaltungen in der Spielzeit gespielt und sind Ende November direkt in den Lockdown gegangen. Das zog sich dann bis in den Mai. Eigentlich sind wir seitdem Krisenmanager und versuchen, gut durch diese Krise zu kommen, was uns bisher gelungen ist. Aber natürlich hat die Pandemie auch Spuren hinterlassen. Wie jedes Theater kämpfen wir auch mit dem Thema Zuschauer-Rückgewinnung. Wir müssen uns wieder als Theaterkultur generell bemerkbar machen - das wird unsere große Aufgabe in der Zukunft sein. Und so verstehe ich auch die Programmplanung für die nächste Spielzeit 22/23: Es geht nur über ein sehr attraktives, gutes, hochwertiges Programm.

Christian, Du hast mal gesagt, dass jede Krise auch etwas Positives hat. War das bei Corona für Dich auch so?

Mädler: Ja. Ich habe sehr wertvolle Menschen kennengelernt in einem Zeitraum, wo viele andere Menschen sagten, ich könne nicht rausgehen und niemanden treffen. Auch da gibt es Möglichkeiten und Chancen und genauso gilt das auch für das Theater: neue Wege zu gehen, sich strukturell zu verändern, aber auch inhaltlich neu auszurichten. Wir haben aus dieser Krise persönlich, jeder für sich, aber vor allem auch als Institution eine ganze Menge Erfahrungen mitnehmen können. Nicht zuletzt eine immens hohe Flexibilität, die wir auch heute noch gut ausspielen können - was im Theaterbereich ohnehin der Fall sein sollte, dass man flexibel ist. Diese Corona-Schule hat uns vieles gelehrt, und da nehmen wir ganz viel mit für uns in die Zukunft.

Lattemann: Natürlich haben wir auch positive Dinge aus der Krise gezogen - Thema Digitalität, dass wir uns in die Lage versetzt haben, unsere Veranstaltungen zu streamen. Aber es darf nicht davon ablenken, dass Theater im analogen Raum bei uns stattfindet. Ich mag es sehr gerne, mit neuen Formen zu spielen, das habe ich mir auch auf die Fahne geschrieben. Wir sind ein Gastspieltheater, wir produzieren also nicht selber. Wir haben eine Produktion, das "Weihnachtsmärchen", das bei uns entsteht, wo künstlerische Prozesse bei uns vor Ort durchgeführt werden - aber eigentlich kaufen wir ein. Wir gucken uns national wie international an, welche Gastspiele wir spartenübergreifend zeigen wollen. Und darauf muss auch der Fokus liegen, dass wir die Leute wieder in das Theater holen und nicht ausweichend in den digitalen Raum gehen.

Und das wollt Ihr jetzt mit der neuen Spielzeit, dass die Leute wieder zu euch kommen.

Lattemann: Natürlich, ganz klar. Wir sind ein sehr großes Theater, wir haben über 800 Sitzplätze, und wenn die Nachfrage groß ist, haben wir auch noch über 100 Stehplätze, die wir freigeben können. Im Moment sind wir davon weit entfernt, weil wir merken, dass die Zuschauer noch sehr zurückhaltend sind. Das betrifft nicht nur uns, das betrifft auch die normalen Stadt- und Staatstheater. In den großen urbanen Zentren ist das nicht unbedingt der Fall; in Hamburg, Berlin oder Köln machen sich die Theater weniger Gedanken darüber als wir, die wir in der Provinz arbeiten.

Worauf können wir uns in der neuen Spielzeit freuen?

Lattemann: Wir haben unter anderem zwei Gastspiele des Berliner Ensembles wieder bei uns. Wir haben die Zusammenarbeit letztes Jahr aufgenommen und wollen die auch intensivieren. "Die Blechtrommel" von Günter Grass wird im September bei uns zu Gast sein. Im April 2023 "Medea" mit Constanze Becker in der Hauptrolle. Das Deutsche Theater Berlin wird wieder zu Gast sein. Es wird auch viel Komödie, viel Unterhaltendes bei uns zu sehen geben, auch Boulevard, weil auch das etwas ist, was wir als Gastspieltheater bedienen.

Das Interview führte Martina Gilica.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Kulturspiegel | 17.05.2022 | 19:05 Uhr

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