Kirill Serebrennikov wird Artist in Residence am Thalia Theater
Der russische Regisseur Kirill Serebrennikov wird in der kommenden Spielzeit, als Artist in Residence gleich zwei Stücke in Hamburg inszenieren. Das gab Intendant Joachim Lux bei der Vorstellung der neuen Saison bekannt.
Per Live-Schalte ist der russische Regisseur Kirill Serebrennikov bei der Vorstellung der neuen Spielzeit am Thalia Theater aus Amsterdam zugeschaltet. "Ich bin derzeit nicht in Moskau", sagt der Regisseur. Dort könne er aufgrund des Krieges und der angespannten Lage nicht leben. Serebrennikov spielt eine zentrale Rolle in der nächsten Saison.
Als Artist in Residence wird er gleich zwei Stücke in Hamburg inszenieren. Außerdem werden seine Filme gezeigt. "Mich verbindet auch persönlich sehr viel mit ihm", sagt Intendant Joachim Lux. "Wir haben schon viele, viele Sachen gemeinsam durchgemacht."
"Der Wij": Serebrennikov inszeniert ukrainische Volkssage
Kirill Serebrennikov will das Stück"Der Wij" im Dezember mit einem europäischen Ensemble mit "Menschen unterschiedlicher Herkunft, die der Glaube an die gleichen Werte verbindet" uraufführen. Unter dem Eindruck der gegenwärtigen Situation beschäftigt er sich mit einer von Nikolaj Gogol aufgeschriebenen ukrainischen Volkssage. In ihr soll das Böse gebannt werden. Für Serebrennikov wird sie zu einer zeitgenössischen Erzählung über den Krieg. Gogol, darauf weist Joachim Lux hin, sei übrigens kein russischer, sondern ein ukrainischer Dichter. Die Premiere ist für Dezember geplant.
Zweites Serebrennikov-Stück ist eine Neuinszenierung von "Barocco"
Mit einer Neuinszenierung seines Stückes "Barocco" vom Moskauer Gogol-Center wird Serebrennikov die Spielzeit in Mai 2023 dann beenden. Das Gogol-Center sei übrigens unglaublich erfolgreich, sagt Kirill Serebrennikov, die Stücke fast alle ausverkauft, mitten im Krieg: Theater sei etwas, das "ohne das Gift der Propaganda, das Gift der Lüge" funktioniere. "Es ist ein solches Paradox: Die Menschen brauchen gerade das Theater, aber das Theater kann nicht offen über die Situation sprechen", sagt der Regisseur.
Thalia Theater wirft düstere Blicke in die Zukunft
Die neue Spielzeit durchzieht die Frage nach der Krise der Zukunft. Den Auftakt macht ein Weltstar des Theaters: Robert Wilson inszeniert mit "H" ein Stück, das von Stephen Hawking und dem Ticken der Weltuntergangsuhr inspiriert ist. Danach wird der Iphigenie-Mythos aus weiblicher Sicht neu gedacht, von der polnischen Regisseurin Ewelina Marciniak. Mit "Die Rache der Fledermaus“ kommt die berühmte Strauß-Operette auf die Bühne, erzählt allerdings aus der Perspektive aussterbender Tierarten. Es sind düstere Blicke in die Zukunft. "Wir sind immer davon ausgegangen, dass wir unser Leben, sowohl als Individuen wie als Gesellschaft halbwegs im Griff haben", sagt der Intendant. "Jetzt machen wir die Erfahrung, dass es nicht so ist, und das ist ein Problem, weil wir immer so tun, als wüssten wir das ganz genau."
Auch Familie, die Klimakrise, das Zusammenspiel von Alt und Jung spielen eine Rolle. Fünf der neun Arbeiten im Großen Haus inszenieren Frauen, sagt der Intendant mit gewissem Stolz. Unter anderem inszeniert Anne Lenk Tschechows "Drei Schwestern". Deren sehnsüchtiger Ausspruch "Nach Moskau, nach Moskau!" würde in heutigen Ohren anders klingen.
Ein bisschen Eskapismus ist auch im Programm
Die neue Saison bietet aber auch Lustiges. Leander Haußmann, Regisseur des Films "Sonnenallee", schreibt zusammen mit Autor und Element-of-Crime-Musiker Sven Regener ein Stück über die Krise einer Patchworkfamilie. Und an Weihnachten wird wieder gezaubert: Das Familienstück ist "Alice im Wunderland".
Rein wirtschaftlich sei die laufende Saison schwierig, räumt Joachim Lux ein: vor allem seit Mitte Dezember, seit Auftreten der Omikron-Variante. Und seit Kriegsbeginn seien die Verkäufe fast zum Stillstand gekommen. Langsam gehe es jetzt aber wieder aufwärts.
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