Ein Mann sitzt mit Sonnenbrille auf einer Bühne. © picture alliance / dpa | Bernd Weißbrod Foto: Bernd Weißbrod
Ein Mann sitzt mit Sonnenbrille auf einer Bühne. © picture alliance / dpa | Bernd Weißbrod Foto: Bernd Weißbrod
Ein Mann sitzt mit Sonnenbrille auf einer Bühne. © picture alliance / dpa | Bernd Weißbrod Foto: Bernd Weißbrod
AUDIO: Hundekot-Attacke: Theaterhaus Jena bringt Goecke-Vorfall auf Bühne (4 Min)

Hundekot-Attacke: Theaterhaus Jena bringt Goecke-Vorfall auf Bühne

Stand: 12.09.2023 11:25 Uhr

Im Februar beschmierte Choreograf Marco Goecke eine Kritikerin mit Hundekot. Nun will das Theaterhaus Jena den Vorfall im Stück "Die Hundekot-Attacke" aufarbeiten. Eine Vorstellung über Finsternis, Schönheit und Vergebung solle es werden.

Die Theatersaison geht in diesen Tagen wieder los. Auf den Spielplänen finden sich auch in der neuen Spielzeit wie immer ein paar Klassiker - Goethe am Volkstheater Rostock, Ibsen am Schauspiel in Hannover. Auch zeitgenössische Literatur bekommt ihre Bühnenversion - gerade hat im Hamburger Thalia eine Inszenierung von "Noch wach?", dem aktuellen Roman von Stuckrad-Barre, Premiere gefeiert. Es braucht aber nicht immer eine Buchvorlage - auch das Tagesgeschehen kann als Inspiration dienen. Theater soll aktuell sein, soll uns etwas über unsere Gesellschaft erzählen, über unsere Zeit. Ein Beispiel dafür ist die neue Ensemble-Produktion am Theaterhaus in Jena. NDR Kultur Redakteurin Alexandra Friedrich ist ins Studio gekommen. Sie weiß mehr drüber.

Der Titel des Stücks ist ja "Die Hundekot-Attacke", das lässt schon ahnen, worum es geht: um einen gekränkten Tanzchoreografen und seinen Dackel?

Ein Mann mit dunklem Haar und dunklem Bart sitzt bei einer Pressekonferenz auf einer Bühne. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt
Regisseur Walter Bart ist von der Idee überzeugt, den Umgang mit der "Hundekot-Attacke" auf der Bühne zu verhandeln.

Alexandra Friedrich: Ja, damit liegst du goldrichtig. Ende Februar in der Staatsoper Hannover, wir erinnern uns: Der damalige Ballettdirektor Marco Goecke schmiert in der Pause eines Ballettabends der Tanzkritikerin Wiebke Hüster Hundekot seines Dackels Gustav ins Gesicht - mit der Konsequenz, dass er die längste Zeit Ballettchef gewesen ist. Seither poppt das Thema immer wieder auf, ist nicht totzukriegen. Während sich die einen fragen, wann wir die unappetitliche Causa endlich ruhen lassen können, finden andere, dass sie auf die Bühne müsse. So auch der niederländische Regisseur Walter Bart vom Theater aus Jena. Er begründet das so:

Wir suchen im Theaterhaus Jena immer nach aktuellen Themen - die reagieren auf die Zeit, in der wir leben. Der Vorfall in Hannover hat uns nicht losgelassen, und die Themen, die verwirren, sind doch immer die Besten für eine Produktion. Regisseur Walter Bart

Friedrich: Bewegende und aktuelle Stoffe will das Theaterhaus Jena. Und aktuell sind sie damit ja tatsächlich. In der Sache steckt ja noch immer Dynamik. Aber hier geht's wohl auch nicht darum, das Ganze faktengetreu auf die Bühne zu bringen.

Gibt es denn schon Infos dazu, wie der Stoff konkret aufbereitet wird?

Friedrich: Der Untertitel heißt "Eine Vorstellung über Finsternis, Schönheit und Vergebung, basierend auf einer wahren Begebenheit". Es wird also erzählerische Freiheit genutzt, aber das Setting ist auch ein Theater ...

Wir sehen eine Gruppe von Schauspielenden in der Thüringer Provinz, auf der Suche nach Schönheit und Unsterblichkeit. Am Ende dieser Spielzeit endet ihr Engagement, und sie haben keine Arbeit mehr. Die überregionale Presse kommt auch nicht immer nach Jena, und die Schauspielenden verbinden sozusagen ihre eigene Existenz mit der der Kritikerin und der des Choreografen, die in den Hundekot-Eklat verwickelt waren. Regisseur Walter Bart

Friedrich: Klingt erst mal noch etwas abstrakt, aber den Ankündigungstext verstehe ich so: Das Theaterhaus Jena verbindet im Stück - ganz selbstironisch - die eigene Geschichte mit dem Eklat. Im Zentrum ein Theaterkollektiv, das - in der Hoffnung, so überregionale Aufmerksamkeit zu bekommen - die Hundekot-Attacke eines Choreografen auf eine Kritikerin zur Basis eines Theaterstücks macht. Und wie beim zugrundeliegenden Vorfall um Goecke geht es hier um das Verhältnis zwischen Kunst und Kritik, um Kränkung, und es wird viel gestritten.

Und wann können wir uns das anschauen?

Friedrich: Planmäßig gibt es am 26. Oktober eine öffentliche Generalprobe und die Premiere am Folgetag, am 27.10. So ganz in trockenen Tüchern scheint es aber nicht zu sein ...

Ich glaube, die Stimmung im Ensemble ist extrem differenziert. Wir sind gespannt, ob wir es zu einer Premiere bringen werden. Aber ein Choreograf gibt uns gerade Tanzunterricht, und einen Dackel haben wir auch schon gefunden. Das gibt Vertrauen. Regisseur Walter Bart

Das Gespräch führte Philipp Schmid.

 

Weitere Informationen
Ein TV-Kameramann filmt die Staatsoper Hannover © Julian Stratenschulte/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Julian Stratenschulte

Suspendierter Ballettdirektor Goecke: Grenzen zivilisierter Gesellschaft

Vielleicht handelt diese Ekelgeschichte aus Hannover davon, wie eine Gesellschaft des Shitstorms letzte Grenzen übertritt, kommentiert NDR Kultur-Redakteur Ulrich Kühn. mehr

Marco Goecke, Ballettdirektor Staatsoper Hannover, bei einem Interview mit dem NDR © NDR

Nach Attacke mit Hundekot: Marco Goecke rudert zurück

Der Cheorograph hat sich bei der angegriffenen Kritikerin entschuldigt. Mit dem NDR sprach er zuvor über die Hintergründe. mehr

Wiebke Hüster © Wiebke Hüster

Kritikerin Hüster nach Attacke durch Goecke: "War in Schockstarre"

Die Kulturkritikerin der "FAZ" schildert im Interview mit NDR Kultur, wie die Situation mit Marco Goecke aus ihrer Sicht abgelaufen ist. mehr

Ein Porträtfoto von Balletdirektor Marco Goecke mit Sonnenbrille. © picture alliance/dpa | Christophe Gateau Foto: Christophe Gateau

Marco Goecke bittet um Verzeihung: "Schändliche Handlung im Affekt"

In einer Stellungnahme hat sich der Ex-Ballettchef für seine Hundekot-Attacke bei der Kritikerin Wiebke Hüster entschuldigt. mehr

Marco Goecke © Screenshot

Hundekot-Attacke: Staatsanwaltschaft ermittelt, Theater streichen Goeckes Arbeiten

Nach dem Vorfall nehmen das Nationaltheater Mannheim und das Niederländische Dans Theater Goeckes Choreograpien aus dem Programm. mehr

Marco Goecke sitzt in einem Raum für Beleuchtung und Requisiten. © picture alliance / dpa | Bernd Weissbrod Foto: Bernd Weissbrod

Nach Hundekot-Attacke: Welche Verantwortung tragen Bühnenhäuser?

Die Staatsoper Hannover hat sich von Ballettchef Marco Goecke getrennt. Wie gehen Theater und Opernhäuser zukünftig mit Kritiken um? Ein Kommentar. mehr

Ein Screenshot eines Onlineartikels der Zeitung "The Guardian" über die Hundekot-Attacke von Marco Goecke © The Guardian

Hundekot-Attacke von Marco Goecke sorgt weltweit für Schlagzeilen

Unter anderem haben die BBC und der "Guardian" berichtet. Aber auch außerhalb Europas schlug der Vorfall große Wellen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 12.09.2023 | 08:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

"Die Zweiflers" (v. li. n. re.): Lilka (Ellanor Rissa), Saba (Saffron Marni Coomber), Samuel (Aaron Altaras), Leon (Leo Altaras) und Mimi (Sunnyi Melles) © ARD Degeto/HR/Turbokultur Foto: Elliott Kreyenberg

Mediathektipps: "Die Zweiflers", "Borders" und "ABBA"

Es geht um eine Serie über eine jüdische Familie in Frankfurt, eine Serie aus Israel und eine Doku über die Popgruppe ABBA mehr