J.R.R. Tolkien: Fantastisches Werk des "Herr der Ringe"-Autors
Vor 50 Jahren starb der Autor J. R. R. Tolkien. Was an der Fantasiewelt, die der Brite erschuf, faziniert immer noch Millionen Menschen, wie 2022 die Serie "Die Ringe der Macht" gezeigt hat?
"Herr der Ringe"-Fans kennen keine Grenzen. Sie reisen bis ans andere Ende der Welt: nach Hobbiton in Neuseeland. Dort entstanden die gewaltigen Filme. Und dort fühlen sie sich wie ein Teil von Mittelerde: "Ich war auf einem Ausritt nach Isengart und bin in Wellington auf dem Mount Victoria zum Hobbit's Hideout gegangen", sagt Wiebke, ein riesiger "Herr der Ringe"-Fan aus Deutschland. "Herr der Ringe ist überall hier, und ich hab die Filme während ich hier war zum hundertsten Mal angeguckt und konnte jetzt sagen: Ich war da und da und da war ich auch!"
J.R.R. Tolkien: "Menschen kämpfen immer weiter"
Woher kommt diese Faszination? Die bezaubernde Landschaft allein kann es ja nicht sein. Sind es schöne Elben, computergenerierte Städte, mysteriöse Bedrohungen, die diesen Zauber auslösen? Oder spektakuläre Stärketests wie zwischen Elrond und dem Zwergenkönig - die um die Wette Felsen spalten? Nein, all das ist nur Ausdruck dessen, was zugrunde liegt: Das Konstrukt von Tolkiens Welt beruht auf dem ewigen Kampf von Gut und Böse, Licht und Dunkel, Elb und Ork.
"Mir scheint das ein Gleichnis zu sein für die Menschheit; mich hat auch immer sehr beeindruckt, dass wir hier überhaupt überleben, und das liegt auch am unbezwingbaren Mut der kleinen Leute, die allen Gefahren trotzen, Dschungeln, Vulkanen, wilden Tieren - die Menschen kämpfen einfach immer weiter", sagte der Autor (1892-1973) selbst in einem BBC-Interview von 1968.
Hobbits helfen bei der Identifikation
Während Leser und Zuschauer die heldenhaften Lichtgestalten der Elben bewundern können, können sie sich mit demjenigen, mit dem alles anfängt, identifizieren. Der erste Satz des Kleinen Hobbits - "In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit" - beginnt ausgerechnet mit einem Wesen, das totaler Durchschnitt ist: Bilbo Beutlin. Engstirnig, Zuhausebleiber, lieber ein zweites Frühstück als eine Heldentat. Ganz klar an der englischen Landbevölkerung aus Tolkiens Kindheit orientiert - die aber dann dem Schrecken des Ersten Weltkriegs ausgesetzt wird, meinte der Tolkien-Forscher John Garth in einer Analyse von 2014. "Der kleine Hobbit" sei "die Geschichte einer Verwandlung, bei der ihr anfänglich furchtsamer Protagonist in die Schlacht zieht und dem Tod von der Schippe springt." Eine Figur, mit der es sich leichter identifizieren lässt als mit einem bereits heroischen Elben.
"Herr der Ringe"-Welt hat klare, verständliche Strukturen
Generation um Generation ist fasziniert von dem Hoch-Fantasy-Märchen aus Mittelerde. "Wer von uns würde nicht gerne in einer Welt leben wollen, in der so klare ordentliche Regeln gelten wie in der Fantasy", sagt Literaturwissenschaftlerin und Phantastikexpertin Katrin Schumacher. "Da gibt es die Hobbitwelt auf großen Füßen, es gibt die bösen Orks, es gibt die zarten Elben, es gibt Gut und Böse, und dazwischen gibt es eine einzelne störende Macht."
Tolkiens Werk ist eng verknüpft mit der nordischen Mythologie
Diese klaren Strukturen hat Tolkien wohl aus noch viel älteren Sagenwelten übernommen: den nordischen Epen. Als Kind las er von Sigurd dem Drachentöter (in germanischen Sagen als Siegfried bekannt). Er studierte die Sagen im originalen mittelalterlichen Isländisch - also alles zu einer Zeit seines Lebens , in der ein Mensch besonders empfänglich für diese Ordnung ist, erklärt Schumacher.
"Interessanterweise fangen Kinder und Jugendliche, die beginnen zu schreiben, ganz oft mit Fantasygeschichten an, also Welten, die sie überblicken und kontrollieren können, in denen es Magie gibt, die bei Bedarf eingesetzt werden kann und in der es psychologisch viel einfacher zugeht als in ihrer eigenen - vielleicht gerade verwirrenden - Teenie-Welt." Also schuf Tolkien für sich und für sein Millionenpublikum Ordnung, durch Fantasy. Eine Ordnung, die - wie ein Ring - niemals endet.