Liegestütze gegen Spende: Harrislee-Handballerinnen in der Not erfinderisch
Im Schatten der Männer von der SG Flensburg-Handewitt sind die Zweitliga-Handballerinnen des TSV Nord Harrislee in eine finanzielle Notlage geraten. Durch ein ideenreiches Crowdfunding soll der Standort für Spitzensport gerettet werden.
Sie waren sich schnell einig in Harrislee: Es muss etwas getan werden, und zwar nicht demnächst, sondern jetzt, sofort! Die finanzielle Situation des traditionsreichen Clubs von der deutsch-dänischen Grenze, der seit 2018 in der Zweiten Liga spielt, lasse keinen Aufschub zu. Ansonsten könnten schon sehr bald die Lichter ausgehen bei dem Verein, der in seiner Historie immerhin drei Jahre lang in der Bundesliga gespielt hat (1991/1992, 1994 bis 1996).
Denn: In direkter Nachbarschaft zu den sehr erfolgreichen Männern der SG Flensburg-Handewitt ist es einfach schwer, Sponsoren für ein Frauenteam zu gewinnen. Erst recht gilt dies in Corona-Zeiten, in denen Unternehmen mit Engagements eher zurückhaltend sind.
"Nordfrauen" mit vielen Ideen beim Crowdfunding
Gesagt, getan. Und so initiierten sie beim TSV Nord per entsprechender Homepage flugs ein Crowdfunding - und stellten dabei eindrucksvoll unter Beweis, dass in dem Sprichwort "Not macht erfinderisch" viel Wahres liegt. Der Ideenreichtum beim Gegenwert für Spenden war beachtlich - genauso wie die Einsatzbereitschaft der "Nordfrauen". Es gibt die Klassiker, wie signierte Trikots und Spielbälle oder auch Autogrammkartensätze. Zudem wurden aber auch die Ausspielwege via Social Media genutzt.
Zehn Liegestütze für zehn Euro
Für eine Spende von zehn Euro macht eine Spielerin zehn Liegestütze, für 15 Euro 20 Kniebeugen und für 20 Euro 20 Burpees - bei Letzterem handelt es sich um eine Mischung aus Kniebeuge, Liegestütze und Strecksprung. "Das wird dann mit Kamera aufgenommen und über unseren Social-Media-Kanal ausgespielt - mit Namensnennung des Spenders", sagte Andreas Lemke, Leiter der Handball-Abteilung, im Telefongespräch mit dem NDR. Aber nicht nur das: Gegen eine Spende von 15 Euro kann man auch Geburtstagsgrüße von einer Spielerin der Wahl erhalten, mit persönlicher Widmung.
"Wir haben uns gefragt: Wie kriegen wir das gewuppt?" Andreas Lemke, Leiter der Handball-Abteilung
"Wir haben einfach ein paar Ideen gesammelt", sagte Lemke. Der große Einsatz hat sich schon ausgezahlt. Die Marke von 10.000 Euro wurde geknackt, damit fließt das eingesammelte Geld definitiv an den Verein. Wäre dieses Ziel verfehlt worden, wäre es an die Spender zurückgegangen. Knapp drei Wochen vor dem Ende der Aktion sind schon mehr als 11.300 Euro zusammengekommen - durch 106 Unterstützerinnen und Unterstützer. "Es sind ja noch ein paar Tage. Wir hoffen, da noch einen Sprung machen zu können. Wenn wir 20.000 Euro erreichen sollten, wäre das richtig gut", sagte Lemke.
Corona hat stark zur finanziellen Not beigetragen
Nach dem guten Start des Crowdfundings herrscht ganz oben im Norden wieder Zuversicht. Lemke geht davon aus, dass das Team auch in der kommenden Saison wieder eine ordentliche Rolle in der Zweiten Liga spielen wird. Die finanzielle Lücke sollte so geschlossen werden können, dass sie den Standort für Spitzensport nicht gefährdet. Vor allem, wenn die 20.000 Euro erreicht werden sollten. Sinkende Zuschauerzahlen im Zeitraum der Pandemie und Zusatzkosten durch erforderliche Corona-Testungen hatten für das Defizit gesorgt.
Vom Nationalteam geht wenig Zugkraft aus
Das Grundproblem bleibt aber: Der Unterschied zwischen Männern und Frauen ist sicherlich noch etwas größer als im Fußball. Dort hat das DFB-Team in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit seinen Triumphen viel dafür getan, dass auch das Interesse am Vereinsfußball gestiegen ist. Im Handball fehlen entsprechende Erfolge der DHB-Frauen seit langer Zeit. In diesem Jahrtausend sprang bei einem großen Turnier genau einmal der Gewinn von Edelmetall heraus: Bronze bei der WM 2007.
Jenseits der Grenze, in Dänemark, ist die Lage anders. Dort blicken die Handballerinnen auf eine lange Tradition zurück, dort sind die Partien der Erstligisten im TV in voller Länge zu sehen. Und dort wird dann auch gutes Geld verdient.
Kapitänin Lauf: Warum ist die Sponsorensuche so schwer?
"Bei uns gehen die Spielerinnen natürlich noch einem anderen Beruf nach, einige studieren. Unsere Kapitänin kann durch Handball allein nicht ihre Wohnung bezahlen", sagte Lemke.
Eben jene Spielführerin, Ronja Lauf, bringt sich genauso wie ihre Mitspielerinnen tatkräftig beim Crowdfunding ein. Bei allem Engagement bleiben grundsätzliche Fragen. "Wir sind die erfolgreichste Frauenhandball-Mannschaft in Schleswig-Holstein. Wir vertreten unser Bundesland in ganz Deutschland, bis nach Stuttgart runter", sagte die Kreisläuferin. "Und dann ist es so schwer, einen Sponsor zu finden? Das ist irgendwie nicht zu verstehen."
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