Torwart-"Legende" Andersson und das unverhoffte Extra-Derby
Mattias Andersson hatte sich eigentlich längst in den Ruhestand verabschiedet. Doch die Corona-Pandemie hat ihn zurück ins Tor des THW Kiel geführt, mit dem er nun auf seinen Ex-Club SG Flensburg-Handewitt trifft.
Es war der 3. Juni 2018: Die SG Flensburg-Handewitt griff nach der Meisterschale, musste gegen Außenseiter Frisch Auf Göppingen lange zittern, bis die Titelsause steigen konnte. Jubel und Erleichterung mischten sich. Mittendrin Mattias Andersson. Der Torwart hatte einige Monate zuvor sein Karriereende verkündet - und ging nun als Meister. Später, bei der Verabschiedung vor der Halle, hatte der Schwede Tränen in den Augen. "Es war ein komischer Tag", erinnert er sich. "In meinem letzten Spiel hatten wir einen Titel geholt, den wir zwei Wochen zuvor nicht für möglich gehalten hatten."
Nun kehrt der "alte Schwede" nach Flensburg zurück - mit dem THW Kiel. Heute beim 104. Landesderby (18.05 Uhr, live im Ersten und im Stream bei NDR.de) wird der Routinier, der am Montag seinen 43. Geburtstag feiert, im Kader des Erzrivalen stehen. Der Reiz der Aufgabe ist ungebrochen. "Es ist das Derby", betont der Schlussmann, "und es geht gegen eine Flensburger Mannschaft, aus der ich einige Spieler aus gemeinsamen Tagen kenne."
"Es reicht, um ein paar Minuten zu helfen"
Man könnte es ein Comeback nennen, Andersson selbst spricht lieber von einer "Unterstützung". Bekanntlich muss Weltklasse-Keeper Niklas Landin in einer Corona-Quarantäne ausharren, sodass Ersatzmann Dario Quenstedt die Verantwortung im THW-Kasten trägt. Für alle Fälle sitzt Andersson, den THW-Coach Filip Jicha als "Legende" bezeichnet, auf der Bank.
Gegen Wetzlar durfte er einen Siebenmeter parieren, am Mittwoch gegen Leipzig trat er kurz vor der Pause zwischen die Pfosten. "Es macht schon noch Spaß", verrät der Routinier. "Ich merke zwar, dass Timing und Schnelligkeit etwas fehlen - aber es reicht, um ein paar Minuten zu helfen."
"Aushilfe" Andersson bereitet sich akribisch vor
Während seiner langen Karriere galt er immer als akribischer Analyst. Sein Lieblingsspruch: "Wer aufhört, besser zu werden, hört auf, gut zu sein." Wer meint, die "Aushilfe" würde es etwas ruhiger angehen, schätzt Andersson falsch ein. "Ich kenne nur meinen Weg, ich muss meine Arbeit hundertprozentig machen." So laufen bei ihm jetzt stundenlang Videos, um die Flensburger Schützen haargenau unter die Lupe zu nehmen.
Große Erfolge mit Flensburg und Kiel
Der 42-Jährige zählt zu den wenigen Handball-Profis, die mit beiden schleswig-holsteinischen Clubs große Erfolge gefeiert haben. 2001, nach einer kurzen Episode beim FC Barcelona, landete er beim THW. In Kiel errang er 2007 die Champions League und nicht weniger als fünf deutsche Meisterschaften. Es herrschte allerdings ein harter Konkurrenzkampf, dem der Schwede dann entfloh. 352-mal trug er das THW-Trikot, das SG-Dress sogar 370-mal. Nach drei Jahren beim TV Großwallstadt schloss sich der Torwart 2011 den Flensburgern an. In seinem Steckbrief landeten noch einmal die Champions League und schließlich als Krönung 2018 seine sechste deutsche Meisterschaft.
Verwunderung in Flensburg über Rückkehr nach Kiel
Von der SG verabschiedete sich Andersson gen Südschweden. Er wollte für die österreichische Nationalmannschaft als Torwart-Trainer arbeiten und nebenbei seinen Stammclub Ystads IF unterstützen. In Flensburg wunderte sich manch einer, dass er nur wenige Wochen später das Coaching der THW-Keeper übernahm. Und als Landin im vergangenen Oktober verletzt war, ließ sich der Skandinavier bereits zu einem ersten Kurzzeit-Comeback überreden.
Nun läuft sein zweiter Aushilfs-Job, der ihm den siebten Bundesliga-Titel bescheren könnte. "Es sind noch unglaublich viele Spiele", wehrt Andersson ab. "Es ist eine komische Saison, in der kuriose Dinge passieren." Ein eigener erfolgreicher Derby-Einsatz wäre dabei sicherlich nicht die kurioseste Meldung.
