Meppens Thilo Leugers: Sechs denkwürdige Minuten zum Karriereende
Der SV Meppen hat mit Thilo Leugers seinen Kapitän und seine Identifikationsfigur verloren. Der letzte Auftritt des 31-Jährigen im Trikot des Fußball-Drittligisten war filmreif.
Es waren am Sonnabendnachmittag gerade einmal 360 Sekunden im Duell der Emsländer mit dem späteren Aufsteiger Eintracht Braunschweig absolviert, da hielt Louisa Leugers an der Seitenlinie die elektronische Anzeigetafel in die Höhe, auf der die Rückennummer acht ihres Mannes Thilo in rot und die Nummer zehn von Luka Tankulic in grün aufleuchteten. Für den Routinier war es das Zeichen für seine frühe Auswechslung. Und diese verlief äußerst emotional.
Während sich der Kapitän auf dem Spielfeld mit Umarmungen von den anderen Meppener Startelf-Spielern verabschiedete, bildeten die Reservisten sowie das Trainer- und Betreuerteam ein Spalier. Stadionsprecher Mike Flägel schrie dreimal voller Inbrunst "Thilo" in sein Mikrofon. Dreimal antworteten die Fans in donnernder Lautstärke mit "Leugers". Dann klatschte der 31-Jährige unter dem tosenden Applaus des Publikums mit all denen ab, die sich für ihn in zwei Reihen aufgestellt hatten, übergab Tankulic die Kapitänsbinde, umarmte seine Frau und nahm Töchterchen Mara in den Arm, die mit ihren rund zwei Jahren wohl den aufregendsten Tag in ihrem jungen Leben hatte.
Erster Einsatz seit Oktober 2020
"Viel besser kann es nicht laufen. Ich war nicht unzufrieden, dass ich ausgewechselt worden bin", sagte Leugers nach seinem bloß sechs minütigen Einsatz dem NDR. Dass er überhaupt von Beginn an für die Emsländer auf dem Feld gestanden hatte, war völlig überraschend gekommen. Denn von seinem Kreuzbandriss in der Saisonvorbereitung hatte sich der Mittelfeldakteur nie richtig erholt und deshalb sein Karriere-Ende beschlossen. Bereits die Vorsaison hatte der frühere Holland- und Spanien-Legionär wegen Achillessehnenproblemen beinahe komplett verpasst.
Sein bis dato letzter Einsatz vor seinem Kurz-Comeback gegen Braunschweig datierte vom 31. Oktober 2020. Und nun verhalf Coach Rico Schmitt dem Publikumsliebling zu einem großen Abgang.
Coach Schmitt geht hohes Risiko ein
"Es ging seit Donnerstag in meiner Birne herum, wie ich das dramaturgisch organisieren kann", sagte der Trainer bei "MagentaSport". Der 53-Jährige ging mit der Startelf-Nominierung und der geplanten frühen Auswechslung von Leugers, der ohne jegliche Spielpraxis auflief und nicht ganz austrainiert wirkte, durchaus ein großes Risiko ein. Der 1. FC Kaiserlautern, Konkurrent von Braunschweig im Kampf um Platz zwei, hätte wohl harsche Kritik an der Inszenierung geübt, wenn Meppen die Partie verloren und die Eintracht somit aufgestiegen wäre. Es hätte in diesem Fall der Eindruck entstehen können, Schmitt habe das Spiel auf die leichte Schulter genommen.
Solche Gedankenspiele waren nach dem überraschenden 3:2-Erfolg der zuvor seit über fünf Monaten zu Hause sieglosen Emsländer jedoch obsolet.
"Wir waren noch etwas schuldig"
"Wir wollten noch einmal zeigen, dass wir die Hinrunde nicht zufällig so gut gespielt haben und nichts verlernt haben. Wir waren noch etwas schuldig", sagte Leugers mit Blick auf den Meppener Absturz nach dem Jahreswechsel. Hatten die Niedersachsen zwischenzeitlich auf Rang drei gestanden, mussten sie nach zwölf sieglosen Partien in Serie sogar wieder um den Klassenerhalt zittern. Einer wie Leugers, die mit seinen fußballerischen Fähigkeiten und seiner Routine die Mannschaft in schwierigen Phasen führen kann, fehlte dem Schmitt-Team, als es in die Negativspirale gelangte. Der 31-Jährige war zwar immer nah dran an der Mannschaft, verletzungsbedingt aber eben nicht mehr mittendrin, wenn es um Punkte ging.
Leugers beschenkt sich mit Elfmetertor selbst
Wie groß sein Stellenwert beim SVM trotz seines langen Fehlens noch immer ist, zeigte sich gegen Braunschweig dann bereits nach einer Minute, als es Elfmeter für die Hausherren gab. Trotz der Brisanz der Partie durfte Leugers anlaufen, verwandelte sicher und verschwand anschließend in einer Jubeltraube, die aus allen Meppener Spielern sowie dem kompletten Trainer- und Betreuerstab bestand. Kurz darauf folgte die mit der einen oder anderen Träne verbundene Auswechslung. Sie markierte das Ende der bewegten Profilaufbahn des aus Lingen stammenden Leugers.
Champions-League-Einsätze für Twente
Der Mittelfeldspieler hatte früh einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Bereits als Jugendlicher war er von seinem Heimatclub SV Heidekraut Andervenne zum FC Twente in die Niederlande gewechselt. Beim Club aus Enschede schaffte Leugers auch den Sprung in den Herrenbereich. Für Twente kam er sogar in der Champions League gegen Werder Bremen und Inter Mailand zum Einsatz. Ein paar Nummern kleiner war dann seine zweite Auslandsstation. 2014 schloss sich der Defensiv-Spezialist dem spanischen Drittligisten Atlético Baleares an, der in den Gedankenspielen seiner Verantwortlichen ziemlich schnell mindestens einen Aufstieg schaffen sollte. Es blieb ein Wunsch.
Nach zwei Jahren packte Leugers seine Koffer. Meppen statt Mallorca hieß es nun für ihn. Die Rückkehr in die emsländische Heimat kam durchaus überraschend, spielte der SVM doch nur in der Regionalliga. Aber mit dem Champions-League-erfahrenen Zugang gelang dem Traditionsclub der ersehnte Aufstieg. Seit 2019 war Leugers Kapitän der Mannschaft.
Leugers sieht Zukunft außerhalb des Profifußballs
Nun hat der 31-Jährige nach 90 Drittliga-Einsätzen und 31 Regionalliga-Partien für Meppen seine Fußballschuhe an den berühmten Nagel gehängt. Seine Zukunft sieht der Familienvater erst einmal außerhalb des Profifußballs. Im elterlichen Betrieb, einer ambulanten Familienhilfe, ist er bereits gemeinsam mit seinem Vater Gerd Geschäftsleiter. Nebenbei absolviert er noch ein Studium der Sozialen Arbeit. "Ich werde aber auch immer weiter mit dem SVM verbunden bleiben", sagte Leugers und schloss nicht aus, irgendwann in anderer Funktion zum Drittligisten zurückzukehren: "Und dann werden wir schauen, was sich ergibt."
