Werders Amos Pieper - der "von Gott getragene" will sich treu bleiben
Amos Pieper hat sich bei Bundesliga-Aufsteiger Werder Bremen sofort einen Stammplatz gesichert. Nächstenliebe und Respekt sind für den gläubigen Christen mit dem "göttlichen" Vornamen kein Widerspruch zu seinem Leben als Profifußballer.
Der Schädel brummte ihm noch ein bisschen - auf sein Debüt im NDR Sportclub wollte Amos Pieper aber auf keinen Fall verzichten. Heftig durchgeschüttelt hatte es den 1,91 Meter großen Abwehrspieler von Werder Bremen, als er kurz vor der Pause im Bundesliga-Heimspiel gegen den VfB Stuttgart (2:2) mit seinem Keeper Jiri Pavlenka zusammengerasselt war. "Mir geht's ganz gut, aber ich soll mich natürlich noch schonen", sagte der 24-Jährige am Tag nach dem Crash im Video-Interview, das den Besuch im Hamburger Studio ersetzen musste. Er konnte von Glück reden, dass nichts Schlimmeres passiert war als eine Schädelprellung.
Entwarnung nach dem Crash
Werder-Trainer Ole Werner wechselte Pieper trotzdem vorsichtshalber in der Halbzeit aus. Erst später gab es nach eingehenden Untersuchungen Entwarnung: keine Gehirnerschütterung, keine Gefahr mehr. "Ich werde auch künftig alles dafür tun, dass das Tor verteidigt wird. Angst spielt da keine Rolle", sagt Pieper. Seinen Stammplatz in der Innenverteidigung des Aufsteigers neben Miloš Veljković und Kapitän Marco Friedl dürfte Pieper auch beim Gastspiel in Dortmund am kommenden Sonnabend (15.30 Uhr/NDR Livecenter) behalten, das für ihn irgendwie auch ein Heimspiel ist. Neun Jahre spielte er schließlich für den BVB - erst in der Jugend und von 2017 bis 2019 in der "Zweiten".
Einsatz für Vertreter Stark
Bei den Grün-Weißen galt der ablösefrei von Absteiger Bielefeld an die Weser gewechselte U21-Europameister zunächst gar nicht unbedingt als gesetzt, behauptete sich aber gegen Ex-Nationalspieler Niklas Stark. Der konnte den unverhofften Einsatz gegen Stuttgart nicht entscheidend für sich nutzen, obwohl Werder wie in Wolfsburg nicht verlor, in quasi letzter Sekunde sogar wieder ein 2:2 schaffte. "Unterm Strich waren wir in beiden Spielen auf Augenhöhe", bilanzierte Werner und schränkte doch ein: "Aber man sieht eben auch, dass wir an der absoluten Leistungsgrenze sein müssen, um drei Punkte holen zu können."
Pieper: "Hier und da ein Gebet"
"Der von Gott getragene" Amos Pieper, so die Übersetzung seines aus dem Hebräischen stammenden Vornamens, gilt in Bremen schon nach wenigen Wochen als feste Größe. "Ich finde den Namen cool", so sein Kumpel Janni Serra, mit dem er schon in der Jugend von Borussia Dortmund und im vorigen Jahr auch auf der Bielefelder Alm in der Bundesliga zusammengespielt hat.
"Christliche Werte sind im Profifußball nicht leicht zu leben. Aber manchmal geben sie mir auch Halt. Ich versuche mir, so gut es geht, treu zu bleiben." Amos Pieper
Aufgewachsen in einer streng katholischen Familie, macht Pieper, der einst auch Ministrant war, aus seinem tiefen Glauben kein Geheimnis. "Es ist jetzt aber auch nicht so, dass ich tagtäglich in die Kirche gehe. Hier und da ist ein Gebet dabei oder eine Andacht." Bei Werder ist er damit kein Einzelfall. Werders Libero-Legende Rune Bratseth war ebenso strenggläubig. Auch der Norweger schaffte den Spagat. Pieper: "Christliche Werte sind im Profifußball nicht leicht zu leben. Aber manchmal geben sie mir auch Halt. Ich versuche mir, so gut es geht, treu zu bleiben."
Reflektiert und selbstkritisch
"Amos hat sich schon in jungen Jahren zu einer Führungsperson entwickelt. Kaum einer hat ihm das zugetraut", sagt der Ex-Kieler Serra über den zweimaligen deutschen A-Juniorenmeister mit Borussia Dortmund, der im vergangenen Jahr auch zur (erfolglosen) deutschen Olympia-Auswahl in Tokio gehörte. "Dabei ist er nicht gerade der Schnellste", so Serra. "Aber das weiß er auch selber." Und nicht nur das. "Selbst wenn es wegen der Titel in der Jugend so aussieht: Ein Toptalent oder ein Topspieler war ich, weiß Gott, nie. Ich musste mir alles hart erarbeiten", sagt Pieper selbstkritisch.
Gänsehaut im Weserstadion
In Windeseile scheint sich der am 17. Januar 1998 in Lüdinghausen geborene Pieper an der Weser durchgesetzt zu haben. Sein Weg hätte ihn angesichts zahlreicher Angebote auch ganz woanders hinführen können. "Mir gefällt es hier unglaublich gut. Alles hat sich bestätigt, was meine Entscheidung beeinflusst hat." Ohnehin habe er nicht lange überlegen müssen. Das Drum und Dran des Vereins, die Fans, die ihm vorm ersten Heimspiel im Weserstadion eine Gänsehaut "verpassten" sowie die Chemie mit Trainer Werner, der gleichfalls bekannt ist für seine unaufgeregte und bodenständige Art, stimmten sofort. Zum Gespräch hatte der Coach einen eigens gedrehten Film mitgebracht, "in dem es auch darum ging, wie er meine Rolle sieht und was er von mir erwartet".
Werder wirbt mit Videos
Ein cleverer Schachzug, der augenscheinlich überzeugte. Werder muss schließlich sparen, kann sich keine teuren Verträge leisten. Deshalb ist Kreativität gefragt. Die Videos, mit denen umworbene Spieler auf die Werder-Familie eingestimmt werden, gehören zu diesem Konzept. Es hat auch Pieper auf besondere Weise angesprochen und vielleicht mögliche letzte Zweifel zerstreut. "Ich will spielen - und werde alles dafür geben, dass ich Stammspieler bleibe."
Modische Extravaganz bei Auswärtstrikot
Egal ob im grün-weißen Trikot oder auswärts im lachsfarbenen Leibchen - pardon: "Peach (Pfirsich) heißt die Farbe wohl", sagt Pieper und erzählt, dass mancher Kollege ob der modischen Extravaganz zunächst die Nase gerümpft hätte. "Aber mir gefällt es eigentlich ganz gut." Nur die sommerliche Bräune sollte länger halten. "Denn dann sieht es deutlich besser aus."