VIDEO: Bedrohte Tierart: Warum Igel aktuell gefährdet sind (3 Min)

Warum Igel bedroht sind - und was Mähroboter damit zu tun haben

Stand: 27.04.2025 13:43 Uhr

Sie sehen zwar nicht so aus, aber Igel sind Raubtiere. Die Insektenjäger werden in den letzten Jahren aber immer seltener. Unpassende Gärten, enge Zäune und die Dürren sind Gründe. Dazu kommen: Mähroboter.

von Christoph Deuschle

Sie heißen "Rambo", "Hope" und "Sigurd" und wohnen aktuell in kleinen Höhlen aus Zeitungspapier und Kuscheldecken, die in großen grauen Kisten liegen. Die drei Namen gehören zu Igeln, die von der Igel- und Wildtierhilfe Eckernförder Bucht derzeit aufgepäppelt werden. 1.500 Mal haben die 120 Vereinsmitglieder das im vergangenen Jahr gemacht. Rund 240 kranke und verletzte Igel sind es dieses Jahr schon – wohlgemerkt zu Beginn der Gartensaison.

Ein Igel in der Igelauffangstation wird auf dem Arm gehalten und schaut in die Kamera © Christoph Deuschle Foto: Christoph Deuschle
Zwei Monate war Igeldame "Hope" in der Auffangstation. Sie hat nur noch drei Beine. Das vierte hat sie sehr wahrscheinlich durch einen Mähroboter amputiert bekommen.

"Das ist extrem viel für die Jahreszeit", sagt Anja Rolf. "Wir merken das jedes Jahr, wenn die Leute in die Gärten gehen. Da wird dann mit dem Freischneider ohne zu schauen ins Laub gegangen." Und die im Laub versteckten Igel brutal aus dem Winterschlaf geweckt.

Ein neuer Gegner aus dem Baumarkt

Zu unachtsamen Menschen kommt nun noch moderne Technik dazu. Mähroboter klingen erst einmal praktisch. Sie machen kaum Lärm, arbeiten mit Strom, wirken umweltfreundlich und werden auch gerne so beworben. Das sind sie aber eher nicht. Da sind sich Forschung, Tierschützer und Naturschützer einig.

Mähroboter stehen im Regal eines Baumarktes © NDR
Geräte wie diese gibt es von vielen Herstellern. Zu 100 Prozent sicher für die Tierwelt ist bisherigen Tests nach aber keines.

Eine Studie des Leibniz-Instituts hat ergeben: Viele der bisher im Handel erhältlichen Mähroboter werben zwar damit, Tieren und besonders auch Igeln auszuweichen – tun dies in der Praxis aber offenbar nicht. Dafür sprechen die Verletzungsmuster der bundesweit in den Wildtierhilfen ankommenden Igel. Besonders problematisch: Die praktischen Roboter werden gerne in der Nacht auf den Rasen geschickt. Genau dann, wenn die nachtaktiven Igel im Garten auf der Suche nach Futter sind.

Zäune, Dürre, Mähroboter – die Igel haben es immer schwerer

Seit 2024 listet die Weltnaturschutzunion (IUCN) den westeuropäischen Igel als "potenziell gefährdet". Seine Bestände gehen seit Jahrzehnten konstant zurück. Über die Gründe dafür ist in der Nähe des Menschen genug bekannt – geändert habe sich bisher aber noch nicht ausreichend viel. Das sagt Thomas Behrends vom Naturschutzbund (NABU) Schleswig-Holstein.

Naturschützer: Viele Gärten sind gepflegt, aber lebensfeindlich

Igel Rambo läuft durchs Gras. Die Kamera steht im Gras, der Igel ist sehr nahe zu sehen. © NDR
Auch Igel Rambo hat sehr wahrscheinlich sein fehlendes Bein an einen Mähroboter verloren. Er hatte Glück und kann nach mehreren Monaten Pflege bald wieder unter blauem Himmel leben.

"Wir sehen das seit langem. Immer mehr Gärten sind mit Maschendraht und Stabzäunen abgetrennt. Da kommt der Igel weder raus noch rein." Dann laufe der Igel bis zur Straße am Zaun entlang und werde dann platt gefahren. Auch reine Rasenflächen seien ebenso nicht besonders lebensfreundlich, sondern eher das Äquivalent eines grünen Schottergartens, so Behrends. "Wilde Ecken, heimische Wildblumen und etwas Platz unter Zäunen würde es dem kleinen Insektenjäger im Garten deutlich angenehmer machen."

Tierschützerin: „Das ist sein Todesurteil“

Dann sind da noch die Mähroboter. "Das Problem ist halt auch, dass die Roboter ja die ganzen Insekten und Kleintiere am Boden schreddern. Also in einem Garten, wo ein Mähroboter fährt, wird es keine Insekten geben", sagt Saskia Hartwig von der Igelauffangstation Eckernförder Bucht. Die Igel würden dann die Insekten riechen und nachsehen, wo es das Futter zu finden gebe. "Und das ist ein Todesurteil, weil die Igel dann an den Roboter gehen und – zack – die Messer im Gesicht haben."

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Landesamt für Umwelt: "Auch Dürren sind schuld"

Das Landesamt für Umwelt sieht die Gründe vielschichtig. Ein Hauptgrund neben dem direkten Einwirken vom Menschen, sei auch das zunehmend überlebensfeindliche Wetter. Der Rückgang der Igelzahlen sei "im Wesentlichen ausgelöst durch eine Abfolge von - damals noch - sehr kalten Wintern und nachfolgenden trockenen Frühjahren. Gerade auf Sandstandorten ist der Igel in der Folge fast verschwunden", so ein Sprecher der Behörde. Gleichzeitig würde man auch im Landesamt für Umwelt ein Nachtfahrverbot für Mähroboter begrüßen. Denn auch diese sieht man hier als Teil der Gleichung.

Würde ein Nachtfahrverbot helfen?

Die Antwort auf diese Frage sehen alle Beteiligten gleich: Ein Nachtfahrverbot würde der Natur insgesamt nützen - und damit auch den Igeln. Denn neben Igeln werden auch viele Amphibien nachts Opfer der kleinen Roboter mit den scharfen Klingen.

Thomas Behrends vom NABU sagt, "wenn wir Naturschutz, wenn wir Artenschutz ein bisschen ernst nehmen, dann muss man natürlich auch sein eigenes Handeln hinterfragen. Ist das, was ich mache, eigentlich für alle anderen auch in Ordnung? Oder schädige ich damit ungewollt andere? Wer möchte denn schon seine Erdkröte geschreddert sehen?"

Die Politik wird auf das Thema aufmerksam

In einigen Kommunen bewegt sich deshalb mittlerweile etwas. In Schwarzenbek (Kreis Herzogtum Lauenburg) wurde ein Nachtfahrverbot für die Mähroboter bereits beschlossen. In Lübeck ist ein solches von der Verwaltung auf den Weg gebracht worden. In Bad Oldesloe soll das Thema im Mai im Ausschuss für Natur und Umwelt verhandelt werden.

Auch ohne Verbot: Mähroboter möglichst nur in Maßen nutzen

"Mein Appell an die Leute", sagt Saskia Hartwig," ist folgender: Guckt ins Laub. Geht die Rasenflächen ab bevor die Roboter fahren. Und lasst die Dinger nachts in der Garage." Das zusammen würde ihnen in der Igelhilfe schon die Hälfte der Tiere ersparen, die sie übers Jahr hier behandeln.

Übrigens: Gängige Mähroboter kosten in der Regel um die 1.000 Euro. Einen davon verletzten Igel mit dem Tierarzt oder der Tierärztin wieder gesund zu pflegen, kostet mindestens genau so viel. Meist eher das doppelte, sagt die Igel- und Wildtierhilfe.

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