Grundschule Op De Host für den Deutschen Schulpreis nominiert

Stand: 03.06.2023 06:00 Uhr

Eine Grundschule, die Kinder ohne Bauchschmerzen besuchen und in ihrem Tempo lernen können. Das ist das Ziel der Schule "Op de Host" in Horst (Kreis Steinburg), das sie auch schon erreicht hat. In diesem Jahr ist sie für den Deutschen Schulpreis nominiert.

von Jonas Salto

Als die Kinder ihren Morgenkreis zum Schulstart bilden, ist es mucksmäuschenstill in der Klasse. Der sogenannte Kreischef, ein Kind, begrüßt seine Mitschülerinnen und Mitschüler. Er fragt das Datum ab, die Uhrzeit, das Wetter und startet dann die Erzählrunde. Ein Teddy namens Paula wird herumgereicht. Jedes Kind kann, wenn es denn will, erzählen, was ihm auf dem Herzen liegt, worauf es sich heute freut, was es vielleicht auch bedrückt.

Tägliche Rituale fördern die gewaltfreie Sprache

Kinder sitzen in einem Stuhlkreis © NDR
Wenn Teddy Paula herumgereicht wird, wird es still im Klassenzimmer.

Alle 207 Schülerinnen und Schüler der Grundschule "Op De Host" in Horst (Kreis Steinburg) starten so in den Tag. Sie sind auf acht Klassen aufgeteilt. Die herkömmlichen Klassenstufen eins bis vier gibt es jedoch nicht. In den Klassen sind jeweils Kinder aus allen Klassenstufen.

Als wir mit einem Kamera-Team das morgendliche Ritual begleiten, braucht ein Mädchen verhältnismäßig lange, um eine Formulierung zu finden. Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler bleiben aber trotzdem ruhig, sagen kein Wort, und warten darauf, bis das Mädchen zum Schluss kommt und Teddy Paula weiterreicht.

Unterrichtsstruktur fördert die Eigenverantwortung

Zwei Mal wöchentlich steht der sogenannte gebündelte Fachunterricht auf dem Stundenplan. In dieser Zeit beschäftigen sich die Kinder mit Themen aus den Nebenfächern. Pro Thema sind sie insgesamt 12 Stunden bei einer Lehrkraft. Alle drei Wochen geht die Klasse dann zur nächsten Lehrkraft, um das nächste Thema zu bearbeiten. Die Lehrerinnen und Lehrer kommen also nicht, wie sonst üblich, in die Klassen, sondern die Schülerinnen und Schüler suchen eigenständig die Lehrkraft auf.

In der restlichen Zeit bearbeiten die Kinder die beiden Kernfächer Mathe und Deutsch. Der Unterricht findet aber nicht im Gleichschritt statt. Jedes Kind öffnet pro Themenbereich die Entdeckerkiste und findet so heraus, wie sein Lernstand dazu ist. Die Lehrkräfte schreiben dann in die individuelle Lernmappe, was die Schülerinnen und Schüler bearbeiten müssen und was nicht.

"Sitzenbleiben" gibt es nicht

Die Leistungsnachweise erbringen die Kinder auch individuell. Und zwar immer dann, wenn sie sich bereit dafür fühlen, und nicht dann, wann die Lehrkraft den Termin ansetzt. So kann jedes Kind stressfrei den Unterrichtsstoff durcharbeiten und muss keine Bauchschmerzen vor einer Klassenarbeit haben. Die Grundschulzeit dauert an der Schule Op de Host, genau wie an anderen Grundschulen auch, drei bis fünf Jahre. Das "Sitzenbleiben" von früher gibt es nicht mehr.

Jahrelange Ausarbeitung des Schulkonzepts

Kinder sitzen in einem Stuhlkreis © NDR
Durch den täglichen Morgenkreis lernen die Kinder, einander zuzuhören und sich aussprechen zu lassen.

Die individuelle Lernmappe ist nicht von heute auf morgen entstanden. 2006 hat sich die Direktorin Aenne Thurau mit ein paar Kolleginnen und Kollegen in den Sommerferien zusammengesetzt und überlegt, was sie dagegen tun können, dass sich die Kinder nicht ständig über- oder unterfordert fühlen.

So haben sie das bisherige Schulkonzept aufgebrochen und Jahr für Jahr umgestellt - immer im Hinterkopf habend, sich an den Lehrplan des Landes Schleswig-Holstein halten zu müssen.

Das individuelle Lernen haben sie erst in den traditionellen Klassen eins bis vier ausprobiert. Später sind die Lehrkräfte auf klassenstufenübergreifende Gruppen übergegangen. Die Jüngeren profitieren hier von den Älteren. Neue Schülerinnen und Schüler werden an die Hand genommen, ihnen wird die Schule gezeigt und der Unterricht erklärt.

Rückmeldung von weiterführenden Schulen positiv

Wenn die Schülerinnen und Schüler in Horst ihre Grundschulzeit beenden, sind sie nicht schlechter oder besser als andere Grundschüler. Etwa ein Drittel geht aufs Gymnasium, zwei Drittel auf die Gemeinschaftsschule, schätzt die Direktorin. Das sei derselbe Schnitt wie an anderen Grundschulen.

Die weiterführenden Schulen melden nach Horst zurück, dass sie nicht erkennen können, ob ein Kind von dort oder einer anderen Grundschule kommt.

Ziel erreicht - Schüler ohne Bauchschmerzen

Damit hat sich das Konzept für die Direktorin bewährt. Und ihr Plan, Schülerinnen und Schülern eine Grundschule zu bieten, zu der sie täglich gerne und ohne Bauchschmerzen gehen, ist aufgegangen.

Die Nominierung für den Deutschen Schulpreis sieht sie als zusätzliche Anerkennung für die Arbeit ihres Teams. Mitte Juni entscheidet sich die Jury, welche der 20 nominierten Schulen die beste Deutschlands ist.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 31.05.2023 | 19:30 Uhr

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