Stand: 24.09.2013 18:03 Uhr

Tod eines Lehrlings: Gewinn vor Sicherheit?

von Pippa Nachtnebel und Andreas Fritzsche

Die Geschäftsführer von Hero-Glas in Dersum sehen sich selbst gern in der Rolle der aktiven Unternehmer, die etwas tun für ihre Region. Immerhin kann sich die Firma mit dem "Emsländischen Unternehmerpreis" und dem "Großen Preis des Mittelstandes" schmücken. Nun liegt ein Schatten auf dem Glanz von Hero-Glas. Das Landgericht hat die Geschäftsführer, zwei Brüder, zu einer Haftstrafe von jeweils sechs Monaten auf Bewährung und einer Geldauflage von 100.000 Euro verurteilt. Der Vorwurf: Fahrlässige Tötung eines Lehrlings.

Geschäfte auf Kosten der Sicherheit

Hero-Glas produziert unter anderem Spezialglas für Fassaden und Dächer. Dabei hat sich der Mittelständler einen Namen gemacht, weit über Niedersachsen hinaus. In Düsseldorf, Berlin, Leipzig und Hamburg - überall stehen Glasfassaden von Hero-Glas. Und wer unter dem Dach am Busbahnhof in Hamburg Wandsbek Schutz vorm Regen sucht, der steht unter einem Dach aus Glas der Firma Hero. Eigentlich eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte im strukturschwachen Emsland.

Manipulierte Schleifmaschine

Tödlicher Arbeitsunfall bei Hero-Glas © NDR
Hinter der Galsfassade sei der Arbeitsschutz nicht eingehalten worden, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Doch hinter der schönen Glasfassade der Firma in Dersum müssen unfassbare Zustände geherrscht haben. Bereits 2006 wurde, so der Vorwurf, an einer Maschine zur Glasbearbeitung gezielt die Lichtschranke ausgebaut. Diese Sicherheitsvorkehrung sollte Mitarbeiter eigentlich davor schützen, in die laufende Maschine zu geraten. Wird die ordnungsgemäß betriebene Lichtschranke ausgelöst, stoppt die Schleifmaschine.

Genau das sollte offenbar mit dem Ausbau verhindert werden. Das Landgericht Osnabrück kam zu dem Ergebnis: Die Maschine sei aus Kostengründen ohne Lichtschranke betrieben worden. Denn nach jedem Nothalt sei das gerade bearbeitete Glas unbrauchbar geworden.

Björn Sentker war Auszubildender bei Hero-Glas. Am 20. Juli 2010 war er an der gefährlichen Maschine beschäftigt. Nach den Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft beugte sich der damals 19-jährige dabei in die ungesicherte Maschine, wurde erfasst, zerquetscht und getötet. Das Landgericht ist sich sicher: Mit funktionsfähiger Lichtschranke wäre es nicht dazu gekommen.  

Leugnen und vertuschen

Tödlicher Arbeitsunfall bei Hero-Glas © NDR
Björns Mutter wusste wochenlang nicht, dass der tödliche Unfall so nicht hätte passieren dürfen.

Nach dem Tod von Björn Sentker versuchen Geschäftsleitung und weitere Mitarbeiter von Hero-Glas offenbar die wahren Umstände des Unfalls geheim zu halten. Auch ein Mitarbeiter des für den Betrieb zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes soll die ihm bekannten Manipulationen an der Maschine gegenüber Berufsgenossenschaft und Polizei vertuscht haben. Wochenlang glauben die Eltern des Jungen deshalb an ein Selbstverschulden ihres Sohnes. Erst dann erfahren sie, dass der Unfall so nicht hätte passieren dürfen.

Urteil wegen fahrlässiger Tötung

Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft bringen dann die Hintergründe ans Licht. Im September 2013 verurteilt das Landgericht Osnabrück die beiden Firmenchefs von Hero-Glas wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldauflage.

Zwei weitere Mitarbeiter des Betriebes werden ebenfalls wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Ein fünfter angeklagter Mitarbeiter kommt mit einem Bußgeld davon. Der angeklagte Kontrolleur des Gewerbeaufsichtsamtes wird wegen versuchter Strafvereitelung verurteilt. Die Anwältin eines Chefs von Hero-Glas hat Revision angekündigt.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 24.09.2013 | 21:15 Uhr

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