Schwarzarbeit im Hotel: Geflüchtete offenbar ausgenutzt
Wer aus dem Krieg in der Ukraine fliehen muss, sucht in Deutschland Schutz und Sicherheit. Eine Reinigungsfirma sah in den Geflüchteten aber offenbar vor allem eins: billige Arbeitskräfte ohne Rechte.
Anna und Roman (Namen von der Redaktion geändert) fliehen Ende Februar aus dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland. Nach der Ankunft in Hamburg ziehen sie weiter nach Niedersachsen, in der Hoffnung auf eine Arbeit in Hannover. Mit dabei nur ein kleiner Rucksack. Sie brauchen Geld für den eigenen Lebensunterhalt. "Wir waren in einer ausweglosen Situation", erzählt Roman mit ruhiger Stimme auf Russisch. Deutsch sprechen die beiden nicht. "Um uns irgendwie zu ernähren, mussten wir Geld verdienen", sagt der Ukrainer. Um zu überleben, sammeln sie zunächst Flaschen. Dass es in Deutschland Flüchtlingshilfe und Asyl für Ukrainer gibt, wissen sie zu dem Zeitpunkt nicht, sagen Anna und Roman im Gespräch mit dem NDR Niedersachsen.
Dubiose Arbeitsangebote in den sozialen Medien
In den sozialen Medien suchen die beiden in Hilfsgruppen für Menschen aus der Ukraine nach Arbeit, werden fündig im Messengerdienst Telegram. Ein Angebot spricht Anna und Roman auf den ersten Blick an: Eine Reinigungsfirma mit Sitz in Lübeck habe Putzkräfte für Hotels in und um Hannover gesucht, erzählen sie. Der Aufruf in dem Forum kommt offenbar von Alexander Palaloga, einem Mitarbeiter der Reinigungsfirma Yess Facility Management. Als Dienstleister ist das Unternehmen in diversen Dormero Hotels tätig, unter anderem in Hannover. Alexander Palaloga gibt sich demnach als Manager aus, soll Arbeitsvertrag, Unterkunft und eine Arbeitserlaubnis in Aussicht gestellt haben. Anna und Roman nehmen Kontakt auf. Sie beginnen im März mit der Arbeit im Dormero Hotel Hannover. Dokumentieren das mit Videos und auf Stundenzetteln, die Alexander Palaloga ihnen offenbar aushändigt. Die Dokumente liegen dem NDR Niedersachsen vor.
Offenbar keine Antwort auf Nachfragen
Immer wieder fragen die beiden ukrainischen Geflüchteten nach einem Arbeitsvertrag und nach der Arbeitserlaubnis: "Das braucht alles seine Zeit. Sie müssen verstehen, dass in Deutschland nicht alles so schnell geht", soll Palaloga gesagt haben, erzählt Roman. "Wir wussten nicht, wie alles abläuft und haben gewartet. Wir haben ihm geglaubt." Palaloga verspricht demnach, alles legal zu gestalten. Geflüchtete aus der Ukraine können in Niedersachsen erst mit einem erworbenen Aufenthaltstitel und einer Arbeitserlaubnis legal beruflich tätig sein.
Vorwurf: Weit unter Mindestlohn
Für jedes gereinigte Zimmer sollen Anna und Roman 2,70 Euro bekommen. Das geht aus den Stundenzetteln hervor. Im März haben die beiden nach diesen Dokumenten im Dormero Hotel Hannover jeweils 191 Zimmer gereinigt und damit 516 Euro verdient. Während ihrer Arbeitszeit sollen sie im Auftrag von Alexander Palaloga auch Flure und die Rezeption geputzt haben, außerdem Reinigungszimmer und -wagen sortiert haben. Das wurde offenbar nicht extra bezahlt. Aus den vorliegenden Daten ergibt sich ein Stundenlohn von etwa 3,70 Euro, deutlich unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Für Putzkräfte von Reinigungsfirmen liegt dieser aktuell bei 11,55 Euro. Unter Mindestlohn zu zahlen ist in Deutschland illegal.
Ausweg durch ehrenamtliche Helfer
Obwohl sie alles dokumentieren, warten Anna und Roman offenbar wochenlang auf ihr Geld. Als der Mitarbeiter von Yess Facility Management es endlich auszahlt, sind sie schockiert, denn er soll ihnen noch jeweils 250 Euro für das bewohnte Zimmer im Hotel abgezogen haben. Die beiden Ukrainer sind verzweifelt und suchen Hilfe, wenden sich an andere Geflüchtete. Dadurch lernen sie Steffen Hilbert kennen. Er ist Ehrenamtlicher in der Flüchtlingshilfe im Landkreis Celle. Als Hilbert von den Vorfällen im Dormero Hotel in Hannover hört, greift er ein: "Wir haben dann auch direkt spät abends die Initiative ergriffen und gesagt, die Leute müssen da weg, sofort. Nicht morgen, nicht übermorgen, sofort", sagt Hilbert dem NDR. Er bringt die beiden Ukrainer zunächst bei Bekannten unter.
Offenbar kein Einzelfall
Es ist nicht das einzige Mal, dass der Ehrenamtliche Ukrainern aus einer solchen Lage heraushilft. Zwei Wochen später holt er wieder ukrainische Geflüchtete ab, die offenbar illegal für die Reinigungsfirma Yess Facility Management in einem Dormero Hotel putzen sollen. Diesmal in Langenhagen. Auch diese Arbeit erfolgt offenbar ohne Vertrag und ohne Arbeitserlaubnis. Der Stundenlohn hier: offenbar sogar nur 3,50 Euro. Maria und Vitalij (Namen von der Redaktion geändert) haben sechs Wochen im Dormero Hotel Langenhagen geputzt. Sie sind aufgewühlt, denn auch sie sollen nur einen Anteil des Gehalts bekommen haben. Für zu zweit 646 gereinigte Zimmer, soll der Mitarbeiter Alexander Palaloga ihnen 1.080 Euro ausbezahlt haben. Auf einer Quittung, die dem NDR Niedersachsen vorliegt, ist ein Gehaltsabzug von 500 Euro für ein Zimmer im Hotel vermerkt. "Wir haben auch gehofft, dass wir einen Teil des Geldes an die Eltern zurückschicken können", sagt Maria nach der Auszahlung. Der NDR Niedersachsen trifft die beiden Ukrainer kurz nach der Übergabe.
Dormero sieht Verantwortung bei Subunternehmer
Die Dormero Hotel AG mit Sitz in Berlin hat mehrere Vier- und Fünf-Sterne-Hotels in Niedersachsen. Auf NDR Anfrage lehnt die Pressestelle ein Interview ab, äußert sich nur schriftlich: "In den mit der Firma Dormero abgeschlossenen Dienstleistungsverträgen müssen Dienstleister versichern, dass sie sich an die geltenden Arbeitsgesetze und Branchenmindestlöhne halten. Sollten jene dies nicht tun, tragen sie dafür die alleinige juristische Verantwortung“, heißt es aus der Pressestelle. Außerdem verlange man an den Dormero-Standorten Langenhagen und Hannover von der Firma Yess Facility Management für das Bewohnen der Zimmer durch deren Mitarbeitende keinerlei Mietkosten. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre dies, so Dormero, "ein Grund für eine sofortige Beendigung der Dienstleistungsverträge mit diesem Anbieter, da dies gegen unsere eigenen unternehmerischen sozialen Grundsätze verstößt".
Yess Facility Management weist Vorwürfe zurück
Der Eigentümer und Geschäftsführer von Yess Facility Management weist gegenüber dem NDR die Vorwürfe gegen seine Firma telefonisch zurück. Er gibt an, keine Kenntnis vom Vorgehen seines Mitarbeiters zu haben und die Vorwürfe zu prüfen. Mehrfache schriftliche Anfragen lässt er allerdings unbeantwortet. Der beschuldigte Mitarbeiter, Alexander Palaloga, antwortet nur knapp auf die NDR Anfrage: Ohne Papiere lasse er niemanden arbeiten. Im Anhang seiner E-Mail-Antwort hängen Meldebescheinigungen von unterschiedlichen Arbeitnehmern. Nach einer Überprüfung dieser Dokumente zeigt sich allerdings, dass zum Beispiel die eingetragenen Geburtsorte falsch sind. Auffällig dabei ist auch, dass in allen Fällen dieselbe Meldeadresse in Burgdorf angegeben ist. Eine Anfrage bei der Stadt Burgdorf ergibt: Keine der genannten Personen sei an der vorliegenden Adresse oder überhaupt in Burgdorf gemeldet. Die Meldebescheinigungen sind offenbar gefälscht.
Vermutlich hohe Dunkelziffer
Inzwischen sind die Geflüchteten Maria und Vitalij bei einer deutschen Familie untergekommen, sie fühlen sich endlich sicher. Inzwischen haben sie auch erfolgreich den Aufenthaltstitel in Deutschland beantragt. Auch Anna und Roman, die im Dormero Hotel Hannover beschäftigt waren, haben bereits einen Aufenthaltstitel und eine gültige Arbeitserlaubnis. In Kürze beginnt Roman mit einem neuen Job in Deutschland. Legal, mit Vertrag und fairem Gehalt. Die vier Geflüchteten hoffen, dass ihr Schritt in die Öffentlichkeit andere warnt und dabei hilft, ähnliche Fälle aufzudecken.
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