Prozess um "Maddie"-Verdächtigen: Anwälte stellen Beweise infrage

Stand: 23.02.2024 22:33 Uhr

Im Prozess gegen den Sexualstraftäter Christian B. in Braunschweig haben seine Anwälte die Beweislage kritisiert. B. soll Mädchen missbraucht und Frauen vergewaltigt haben. Er ist zudem Verdächtiger im Fall "Maddie".

Neben der Anklageverlesung war der zweite Prozesstag am Landgericht geprägt von zahlreichen Beweisanträgen der Verteidigung. Die Anwälte von Christian B. wollen unter anderem Beweismaterial ausschließen lassen, das 2016 auf einem Grundstück des Angeklagten in Sachsen-Anhalt entdeckt wurde. Die Datenträger, Bilder und Schriftstücke unter anderem mit Darstellungen von Kindesmissbrauch seien bei einer rechtswidrigen Durchsuchung gefunden worden. Zudem kündigten die Anwälte an, dass B. nicht aussagen werde.

Angeklagter soll Frauen mit Peitsche geschlagen haben

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten zwei Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern und drei Fälle schwerer Vergewaltigung in Portugal zwischen Ende Dezember 2000 und Juni 2017 vor. Eine zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alte Frau aus Irland soll er in ihrem Appartement vergewaltigt und die Tat mit einer Videokamera gefilmt haben. Gleiches gilt für die mutmaßliche Vergewaltigung einer 70 bis 80 Jahre alten Frau, die Christian B. in ihrem Schlafzimmer überfallen haben soll. In beiden Fällen soll er die Frauen gefesselt und mit einer Peitsche geschlagen haben. Der Angeklagte soll auch eine deutschsprachige Jugendliche in einem Wohnzimmer gefesselt, geschlagen und zum Oralverkehr gezwungen haben. Außerdem wird B. vorgeworfen, an einem Strand eine Zehnjährige am Handgelenk gepackt und vor ihr masturbiert zu haben. Eine ähnliche Tat verübte B. laut Anklage vor einer Elfjährigen.

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Der Angeklagte Christian B. (l) steht zu Prozessbeginn im Gerichtssaal im Landgericht Braunschweig neben seinem Anwalt © picture alliance/dpa Foto: Julian Stratenschulte
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Anwalt von Christian B.: Aussagen womöglich unbewusst falsch

B.s Anwalt Friedrich Fülscher kritisierte die Beweislage in den Fällen. Zwei Zeugen hatten demnach ausgesagt, die Videos von den Vergewaltigungen gesehen zu haben. Deren Aussagen könnten auch unbewusst falsch sein, sagte Fülscher. Die Taten könnten sich darüber hinaus früher ereignet haben und damit verjährt sein. Vor Ende 2000 habe Christian B. mit einer Partnerin in der Wohnung gelebt, die von Kameras nichts gewusst habe. Dennoch hätte er die Taten begehen können, so Fülscher.

Erster Prozessauftakt wegen Antrag gegen Schöffin unterbrochen

Zum Prozessauftakt vor einer Woche war die 100-seitige Anklageschrift nicht verlesen worden, weil dieser wegen eines Befangenheitsantrags der Verteidigung gegen eine Schöffin unterbrochen wurde. Die Zweite Strafkammer des Landgerichts Braunschweig hat diesen Antrag mittlerweile für begründet erklärt, weil Zweifel an der Rechtstreue der Schöffin vorlägen. Die Frau wurde ausgeschlossen und durch eine Ergänzungsschöffin ersetzt.

Fall "Maddie" wird nicht in diesem Prozess verhandelt

Medienvertreter warten zu Prozessbeginn gegen den Angeklagten Christian B. vor dem Landgericht Braunschweig auf Einlass. Christian B. werden drei Fälle schwerer Vergewaltigung und zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Portugal vorgeworfen. Ermittler verdächtigen den Deutschen auch im Fall Maddie. © Julian Stratenschulte/dpa Foto: Julian Stratenschulte
Das mediale Interesse an dem Prozess ist groß. (Archivbild)

Der Prozess stößt auf großes Interesse. Der Fall der damals 20-jährigen Irin ist immer wieder Thema in britischen und irischen Medien. Auch der Fall "Maddie" hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt, wird in Braunschweig allerdings nicht verhandelt. Zum Prozessbeginn war der Andrang vor dem Landgericht so groß, dass sich der Auftakt verzögerte. Vor dem Gebäude hatten sich lange Schlangen gebildet. Besucherinnen und Besucher mussten sich aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen unterziehen.

Gericht hatte Zuständigkeit von sich gewiesen

Für den Prozess in Braunschweig sind 29 Verhandlungstermine angesetzt. Ein Urteil könnte Ende Juni fallen. Das Landgericht hatte sich zunächst in dem Fall für nicht zuständig erklärt. Die Staatsanwaltschaft argumentierte jedoch, dass Christian B. vor seinem Auslandsaufenthalt seinen letzten Wohnsitz in Braunschweig gehabt habe. Zu diesem Schluss kam auch das Oberlandesgericht Braunschweig nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Deshalb wird der Fall nun doch dort verhandelt.

Maddie McCann: Ermittler gehen von ihrem Tod aus

Der Verdächtige im Vermisstenfall "Maddie" McCann.
Der Angeklagte Christian B. ist auch Hauptverdächtiger im Fall der 2007 verschwundenen Madeleine McCann. (Archivbild)

Im Fall "Maddie" gehen die Ermittlungen derweil weiter. Im Mai 2007 war die damals drei Jahre alte Britin Madeleine McCann in Portugal aus einer Ferienanlage verschwunden. Die Braunschweiger Ermittler sind davon überzeugt, dass der wegen Sexualdelikten vorbestrafte Christian B. das Mädchen seinerzeit entführt und getötet hat. Eine Leiche wurde aber bisher nicht gefunden.

Christian B. bereits wegen Vergewaltigung verurteilt

Derzeit sitzt Christian B. eine siebenjährige Haftstrafe wegen Vergewaltigung einer US-Amerikanerin im Jahr 2005 ab, die er im portugiesischen Praia da Luz beging. Die Haftstrafe wäre nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft im September 2025 voll verbüßt.

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Niedersachsen 18.00 | 23.02.2024 | 18:00 Uhr

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