Zwischen Krieg und Freundschaft: Fürst und Shammout im Dialog
Der Terror gegen Israel und der Krieg in Gaza belasten palästinensische und jüdische Verbände im Land. Die Vorsitzenden bleiben verbunden. Bei NDR Niedersachsen sprechen sie über Gefühle, Ansichten und Differenzen.
Über die Ursachen und Folgen des Terrorangriffs auf Israel am 7. Oktober 2023 mit mehr als 1.000 Toten vertreten die beiden Freunde unterschiedliche Meinungen. "Als Israel 2005 den Gaza-Streifen verlassen hat, wurde ein Land hinterlassen, aus dem man etwas hätte machen können. Stattdessen wurden Gelder zu einem ganz großen Teil für Waffen verwendet", sagt Michael Fürst, Präsident des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, in der NDR Niedersachsen Sendung "Unser Thema". Yazid Shammout, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde Hannover, beklagt hingegen die seit Jahren schlechte wirtschaftliche und humanitäre Lage im Gazastreifen. Er macht dafür vor allem Israel verantwortlich: "Gaza ist seit Jahrzehnten abgeriegelt. Es gibt keinen Flughafen, keinen Hafen, keinen Landweg, gar nichts. Die Menschen leben dort quasi in einem Freiluftgefängnis."
Shammout: Lage in Niedersachsen vergleichsweise entspannt
Auf den jüngsten pro-palästinensischen Demonstrationen in Niedersachsen hat es aus Sicht von Yazid Shammout keine nennenswerten antisemitischen Vorfälle gegeben. Als Grund dafür nennt er die gute Zusammenarbeit zwischen der palästinensischen und vielen jüdischen Gemeinden. "Das wäre beispielsweise in Berlin aufgrund der vielfältigen Strukturen der palästinensischen, arabischen und jüdischen Communitys viel schwieriger zu schaffen." Entscheidend ist für Shammout die enge Beziehung zwischen ihm und Michael Fürst.
Die gemeinsamen Auftritte werden teilweise kritisch gesehen
Michael Fürst und Yazid Shammout sind seit 2009 befreundet. Sie lernten sich im Rahmen eines runden Tisches kennen, den der damalige Oberbürgermeister von Hannover und heutige niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zusammengerufen hatte. "Wir hatten ein positives Interesse aneinander", so Fürst. Es folgten schnell Treffen und gegenseitige Besuche. Die gemeinsamen Auftritte der beiden Vorsitzenden in den vergangenen Wochen seien zuletzt in jüdischen Chats als Show-Veranstaltung bezeichnet worden, sagt Fürst. Er weist den Vorwurf zurück. "Wir sehen das als Notwendigkeit." Innerhalb der palästinensischen Community habe er dagegen kaum kritische Stimmen an dem engen Verhältnis wahrgenommen, berichtet Shammout. Zu Beginn der Freundschaft habe es einige wenige Skeptiker gegeben. "Die haben sich im Laufe des Prozesses aber eines Besseren belehren lassen."
Brückenbauer trotz inhaltlicher Differenzen
Die vergangenen Wochen haben Fürst und Shammout als herausfordernd empfunden. Shammout stellt aber klar: "Wir haben unterschiedliche Ansichten. Aber unsere Freundschaft basiert auf einem Fundament." Für Michael Fürst ist die gegenseitige Achtung der Schlüssel ihrer besonderen Beziehung. Es sei beiden wichtig, sich zu respektieren und den anderen ausreden zu lassen. "Natürlich gibt es auch Widerspruch, das ist gar keine Frage. Das geschieht aber eben mit Respekt. Und das könnte eigentlich überall geschehen. Und dann wären wir alle viel weiter."