Herbert Diess © picture alliance/dpa | Carsten Koall Foto: Carsten Koall

VW: Vorstandschef Herbert Diess geht

Stand: 23.07.2022 09:20 Uhr

Paukenschlag in Wolfsburg: Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Herbert Diess, verlässt das Unternehmen zum 1. September. Sein Nachfolger wurde schon länger als solcher gehandelt.

Am Ende war es wohl doch ein Problem, ein Streit zu viel. Angeblich schrammte Herbert Diess bereits zweimal haarscharf an einem Rauswurf als VW-Konzernchef vorbei, am Freitagabend kam - kurz vor den Werksferien in Wolfsburg - die Nachricht: Der umtriebige, aber oft für seine Sprunghaftigkeit und Ruppigkeit kritisierte Vorsitzende geht. Zum 1. September soll ihm Porsche-Chef Oliver Blume nachfolgen.

VW: Abgang "einvernehmlich" beschlossen

Darauf hätten sich der Aufsichtsrat und Diess "einvernehmlich" verständigt, teilte VW am Freitagabend mit. Nachfolger wird Oliver Blume, der bei Porsche als Vorstandsvorsitzender tätig ist und diese Tätigkeit auch fortführen wird. Diess führt den Konzern seit April 2018. Volkswagen sprach von einem Generationswechsel. Blume ist neun Jahre jünger als der 63-jährige Diess.

Konzernkreise: Maß war wohl voll

Dass es passieren könnte, hatte sich mehrfach angedeutet. Doch zuletzt schien das Maß voll zu sein - und für Diess ging es nicht weiter. Das legen zumindest Stimmen aus Konzernkreisen nahe, die die Entwicklung der vergangenen Monate und Jahre eng verfolgen. Der gebürtige Braunschweiger Blume hatte bereits länger als möglicher Nachfolger von Diess gegolten. Sein Name war hinter den Kulissen mehrmals gefallen, als sich ein Konflikt zwischen dem VW-Chef und dem mächtigen Betriebsrat um mögliche neue Sparprogramme im vergangenen Jahr hochschaukelte. Bereits davor hatte es heftige Meinungsverschiedenheiten mit Teilen des Aufsichtsrats über die weitere Strategie und über einen möglichen drastischen Arbeitsplatzabbau beim größten Autohersteller Europas gegeben.

Der Neue ist gut vernetzt

Blume ist seit 1994 im Konzern. 2015 wurde er Chef der renditestarken Tochter Porsche. In den Konzernvorstand war Blume 2018 aufgerückt. Eine von Blumes Aufgaben war die Vorbereitung des bis zum Jahresende geplanten Porsche-Börsengangs. Der neue VW-Chef gilt als Experte für Produktion. Er verfügt über enge Kontakte sowohl zu den Eigentümerfamilien Porsche/Piëch als auch zur Belegschaftsvertretung. Blume soll neben seiner Funktion an der Konzernspitze auch Porsche-Chef bleiben. VW-Finanzchef Arno Antlitz soll Blume künftig als Chief Operating Officer (COO) unterstützen, hieß es vom Konzern.

Dank an Diess

Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch dankte Diess. Allerdings gab es zuletzt auch etliche Probleme, vor allem bei der stockenden und sich nochmals verteuernden Entwicklung eigener Software- und IT-Systeme. Darüber hinaus wurde Diess vom Betriebsrat vorgeworfen, nicht ausreichend auf die Halbleiter-Krise reagiert zu haben. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der das Land als zweitwichtigsten Eigner im Aufsichtsrat vertritt, zollte Diess Respekt. Er habe den Anstoß für wesentliche neue Vorhaben gegeben.

Weil zuversichtlich, dass Blume Belegschaft wertschätzen werde

Über Blume sagte Weil: "Ich bin zuversichtlich, dass er den Konzern mit Umsicht und Weitblick im Team mit dem Vorstand, in guter Kooperation mit dem Betriebsrat und mit sehr viel Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen wird." Aufhorchen dürfte hier mancher beim letzten Punkt, der Wertschätzung der Beschäftigten. Damit tat sich Diess - jedenfalls aus der Perspektive von Betriebsrat und etlichen Kolleginnen und Kollegen am Band - häufig eher schwer. Belegschaftsvertreter bemängelten eine fehlende Krisenstrategie und ständige Erhöhung des Drucks in der Fertigung. Die IG Metall sprach Diess in einem offenen Brief das Misstrauen aus.

Cavallo begrüßt die Entscheidung

Die Konzernbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo teilte am Freitagabend mit, der Anspruch der Arbeitnehmervertretung sei es, dass "trotz der großen Herausforderungen auch in den kommenden Jahren Beschäftigungssicherung und Wirtschaftlichkeit gleichrangige Unternehmensziele bleiben". Der Fokus der Arbeitnehmerseite sei klar: "Alle Kolleginnen und Kollegen müssen mitgenommen werden." Die Entscheidung zu Diess zahle darauf ein, heißt es. Der IG-Metall-Vorsitzende und Vizechef des Aufsichtsrats, Jörg Hofmann, betonte, Volkswagen müsse "neben seiner technologischen Favoritenrolle auch der sozialen Vorbildrolle gerecht werden".

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 22.07.2022 | 19:30 Uhr

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