Tödliche Schüsse in Oldenburg: Was wir wissen und was nicht
Reizgas, Schüsse, am Ende stirbt ein junger Mann. Was genau passiert ist in der Nacht zu Ostersonntag in Oldenburg, ist Gegenstand der Ermittlungen. Es gibt widersprüchliche Informationen - und erste Ergebnisse.
Was sagen Polizei und Staatsanwaltschaft zum Tatablauf?
In der Nacht zu Ostersonntag starb in Oldenburg der 21-jährige Lorenz A. durch mehrere Schüsse, abgegeben von einem 27-jährigen Polizisten. Vorangegangen war dem Polizeieinsatz laut Staatsanwaltschaft Oldenburg eine Auseinandersetzung vor einer Diskothek. Die Polizei beschreibt den Vorgang so: Nachdem Lorenz A. der Zugang zur Diskothek in der Mottenstraße verwehrt worden sei, habe er Reizstoff in Richtung zweier Security-Mitarbeiter gesprüht. "Mehrere Menschen" hätten dadurch leichte Verletzungen erlitten. Lorenz A. sei geflüchtet und von mehreren Personen verfolgt worden. Als er ihnen mit einem Messer gedroht habe, hätten sie die Verfolgung abgebrochen. Zwischenzeitlich eingetroffene Polizeikräfte konnten A. in der Kurwickstraße nicht stoppen. Als er in der Achternstraße auf weitere Polizisten traf, soll er laut Staatsanwaltschaft Reizgas in deren Richtung gesprüht haben und dann "an ihnen vorbei" gelaufen sein. Ein 27-jähriger Polizist schoss fünfmal in Richtung des 21-Jährigen.
Was hat die Obduktion ergeben?
Lorenz A. trafen mindestens drei Kugeln von hinten in den Oberkörper, die Hüfte und den Kopf. Eine vierte Kugel soll seinen Oberschenkel gestreift haben. Im Krankenhaus erlag Lorenz A. seinen lebensgefährlichen Verletzungen.
Hatte Lorenz A. an diesem Abend ein Messer bei sich oder nicht?
Um diese Frage gab es zunächst einige Verwirrung. Nach Angaben der Polizei hatte Lorenz A. seinen Verfolgern mit einem Messer gedroht. Zwischenzeitliche Informationen, die auch der NDR veröffentlichte, wonach Lorenz A. kein Messer bei sich gehabt haben soll, erwiesen sich als falsch: Wie die Staatsanwaltschaft in einem aktuellen Zwischenstand mitteilt, wurde bei A. ein Messer sichergestellt. Anhaltspunkte dafür, dass er mit dem Messer "in der konkreten Situation vor der Schussabgabe" auch die Polizisten bedroht hat, gibt es laut Staatsanwaltschaft derzeit nicht.
Was ist über den Beamten bekannt, der geschossen hat?
Der Polizist, der die Schüsse auf Lorenz A. in der Nacht auf Ostersonntag abgegeben hat, ist nach Angaben der Behörden 27 Jahre alt. Er ist vom Dienst freigestellt. Gegen ihn wird wegen des Verdachts auf Totschlag ermittelt. Das ist laut Polizei in solchen Fällen üblich. Die Ermittlungen werden aus Neutralitätsgründen von einer anderen Polizeiinspektion geführt, in diesem Fall Delmenhorst. Die Polizei muss nun klären, ob der Polizist in Notwehr handelte und die Schussabgabe verhältnismäßig war. Der Schusswaffeneinsatz ist nach Angaben des Kriminologen Michael Jasch von der Hochschule für Polizei in Nordrhein-Westfalen "das letzte Mittel" der Gefahrenabwehr. Der Einsatz von Pfefferspray rechtfertige die Schussabgabe nicht.
Warum ist die Hautfarbe des Opfers Teil der öffentlichen Diskussion?
Der Tod von Lorenz A. sorgt sowohl vor Ort in Oldenburg als auch in den sozialen Netzwerken für Bestürzung. Weil Lorenz A. Schwarz ist, werden hier außerdem auch Rassismusvorwürfe gegen die Polizei erhoben. Freunde und Unterstützer von Lorenz A. fordern "Gerechtigkeit für Lorenz". Kevin Komolka, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Niedersachsen, warnt indessen vor Vorverurteilungen.
Was noch ungeklärt ist
Heikel ist insbesondere die Frage nach dem Messer. Hat Lorenz A. damit auch den Polizisten gedroht oder nicht? Das ist eine der Kernfragen, auf die es im Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten ankommt. Die Staatsanwaltschaft sieht aktuell keine Anhaltspunkte dafür, dass Lorenz A. das Messer gegen Polizisten eingesetzt hat. Ebenfalls offen ist die Frage, warum die Polizeikugeln Lorenz A. von hinten trafen. Auch weitere Fragen zum Ablauf des Einsatzes sind noch offen. So werden nach Angaben der Staatsanwaltschaft weiterhin Video- und Audioaufzeichnungen ausgewertet sowie das Mobiltelefon des Polizisten und der Funkverkehr der Polizei. Von den Bodycams der Polizisten liegen zum Einsatz keine Bilder vor, sie waren ausgeschaltet. "Es gibt keinerlei Verpflichtung, die Bodycams einzuschalten", sagte der Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums dazu. Jeder Beamte entscheide selbst und müsse sein Gegenüber darüber auch informieren.
Wohin kann ich mich als Zeuge wenden, wenn ich etwas beobachtet habe und zur Aufklärung beitragen kann?
Zeugen sucht die Polizei Delmenhorst weiterhin: Sie können sich unter der Telefonnummer 04221 - 15 590 melden.

VIDEO: Oldenburg: Ein Blumenmeer gegen Polizeigewalt - für Lorenz A. (1 Min)
