Die Angeklagte, die sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak angeschlossen haben soll, hält sich beim Betreten des Gerichtssaals einen roten Aktendeckel vor das Gesicht. © picture alliance/dpa | Peter Kneffel Foto: Peter Kneffel

Mädchen verdurstet: IS-Rückkehrerin aus Lohne zeigt vor Gericht Reue

Stand: 19.07.2023 18:30 Uhr

Der Prozess gegen die IS-Rückkehrerin Jennifer W. aus Lohne im Landkreis Vechta wird vor dem Oberlandesgericht München neu aufgerollt. Am Mittwoch zeigte sie vor Gericht Reue für ihre Taten.

"Ich bereue das Geschehnis", heißt es in einer Erklärung, die ihr Verteidiger zum Prozessauftakt am Mittwoch vor dem Gericht verlas, und: "Ich wurde zu Recht verurteilt." In ihrem ersten Verfahren habe sie Aspekte "relativiert oder bestritten". Das wolle sie nun nicht mehr tun: "Ich war auch verantwortlich für den Tod", hieß es von der 31 Jahre alten Angeklagten.

IS-Rückkehrerin aus Lohne bereits zu zehn Jahren Haft verurteilt

Jennifer W. war bereits vor zwei Jahren unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Beihilfe zum versuchten Mord, zum versuchten Kriegsverbrechen und wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Der Staatsanwaltschaft war das Urteil jedoch zu mild, da sie für den Tod eines von ihrem Mann versklavten jesidischen Mädchens lediglich wegen eines minderschweren Falls verurteilt worden war. Die Staatsanwaltschaft hatte Revision eingelegt, und auch der Bundesgerichtshof (BGH) sah in der ersten Verurteilung Rechtsfehler.

Angeklagte erklärte vor Gericht, dass sie selbst auch leide

Anders als im ersten Verfahren räumte sie am Mittwoch vor Gericht auch explizit ein, der Mutter des getöteten Mädchens eine Waffe an den Kopf gehalten zu haben, als diese um ihre Tochter weinte. Sie betonte jedoch: "Mein Beweggrund war nicht die Vernichtung und Versklavung des jesidischen Volkes." Die Angeklagte erklärte zudem, dass ihre Situation zwar "nichts im Vergleich" zu der jener Frau sei, aber auch sie leiden würde. "Ich finde es deprimierend, dass ich mich bis heute nicht im Strafvollzug befinde, sondern immer noch in Untersuchungshaft", ließ die Angeklagte über ihren Anwalt sagen. So könne sie ihre Taten nicht aufarbeiten. Zudem habe sie kaum Kontakt zu ihrer Tochter. "Als ich in die Untersuchungshaft kam, wurde ich als Kindermörderin betitelt". Sie habe Kontakt zu Mitgefangenen darum gemieden. "Alle wussten oder glaubten zu wissen, was für ein Monster ich bin."

Jennifer W. droht lebenslange Haftstrafe

Der neue Prozess findet nun vor einer anderen Kammer des Oberlandesgerichts München statt. Im Hauptanklagepunkt geht es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Kammer soll diesen Anklagepunkt neu bewerten. Acht Verhandlungstage sind dafür angesetzt. Ein Urteil soll am 29. August fallen. Der 31-Jährigen droht eine lebenslange Haftstrafe. Ihr Ex-Mann sitzt seine lebenslange Strafe bereits ab.

31-Jährige soll Lebensgefahr des Kindes erkannt haben

Die aus Lohne stammende Frau war 2014 mit 23 Jahren in das Herrschaftsgebiet der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) nach Syrien ausgereist. Sie soll im Sommer 2015 im Irak zusammen mit ihrem Mann das fünf Jahre alte Mädchen zusammen mit deren Mutter gekauft haben - sie stammten aus einer Gruppe von Kriegsgefangenen. Das Paar hielt Mutter und Kind als Sklaven im Haushalt in einem Haus in Falludscha. Weil das Mädchen aber krank wurde und deswegen ins Bett machte, habe der Mann das Mädchen im Hof angekettet und es bei sengender Sonne verdursten lassen, so damals der Vorwurf der Anklage. Jennifer W. ließ ihren Mann gewähren und unternahm nichts zur Rettung des Mädchens - davon waren die Richter überzeugt.

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