Stand: 21.03.2016 10:21 Uhr

Bizarrer Streit um Grundstücke

von Jörg Hilbert

Ökologische Ausgleichsflächen sollen den Flächenfraß durch Neubauten kompensieren. Das ist eine Art Wiedergutmachung an der Natur. Entsteht ein Neubaugebiet, werden die  Kosten für Naturschutzauflagen im Regelfall von allen Bauherren getragen. Sie zahlen dafür schon beim Grundstückskauf, denn oft sind die Kosten für Naturschutzauflagen im Quadratmeterpreis versteckt. Transparenter ist eine Aufstellung im Kaufvertrag, welcher Anteil des Kaufpreises genau für Ausgleichmaßnahmen verwandt wird.

VIDEO: Bizarrer Streit um Grundstücke (9 Min)

Von solch einem offenen Umgang ist das niedersächsische Edewecht weit entfernt. Die Gemeindeverwaltung hat sich dort bei der Planung und beim Verkauf von Bauplätzen etwas ganz besonderes einfallen lassen: Sie hat Ausgleichsflächen als "private Grünflächen" deklariert und diese im Paket zusammen mit Baugrundstücken verkauft. Nun fühlen sich Käufer der Grundstücke getäuscht. Die Frage: Konnten sie erkennen, dass sie eine Ausgleichsfläche erwerben? Hannelore und Ingo-Volkmar Altrock sagen "nein, eine Ausgleichsfläche hätten wir niemals gekauft." Auch die Recherchen von Panorama 3 haben ergeben, dass es für den Laien nicht erkennbar war, dass es sich um Ausgleichsflächen handelt.

Streuobstwiese statt Ziergarten

Das Ehepaar Altrock hat für die "private Grünfläche" 19,50 Euro je Quadratmeter bezahlt. Die Fläche war mit der Auflage belegt, dort eine Streuobstwiese anzulegen und diese nur zweimal im Jahr zu mähen. "Aber wir sind nicht davon ausgegangen, dass das die einzige Nutzungsmöglichkeit ist", betont Ingo-Volkmar Altrock gegenüber Panorama 3. Und so legten die Altrocks auch einen Ziergarten auf der Fläche an. Das hat die Gemeinde auf den Plan gerufen und die ordnet schließlich an, dass der Ziergarten weg muss. Die einzig erlaubte Nutzung sei die Obstwiese. Erst durch diese Anordnung erfahren die Altrocks, dass ihr Garten eine Ausgleichsfläche ist.

Ingo-Volkmar Altrock
Ingo-Volkmar Altrock ist verärgert, weil die "private Grünfläche" eigentlich eine Ausgleichsfläche ist.

Das Ehepaar fühlt sich getäuscht. Ausgleichsflächen gibt es für unter drei Euro den Quadratmeter und sie sind ökonomisch uninteressant, wegen der Nutzungseinschränkungen. Ingo-Volkmar Altrock sagt sichtlich verärgert: "Wir haben 19,50 Euro für den Quadratmeter bezahlt, für eine Fläche, mit der wir nichts anfangen können."

Keine Annäherung

Der Gemeinde ist die ganze Angelegenheit offenbar unangenehm. Auf unsere Interviewanfrage teilt uns der Gemeindekämmerer Rolf Torkel mit: "Es handelt sich nicht um Ausgleichsflächen, sondern um private Flächen in exklusiver Lage." Der für die Kontrolle der Naturschutzmaßnahmen zuständige Landkreis meint dagegen: "Es handelt sich um Ausgleichsflächen, weil die Gemeinde dies per Satzungsbeschluss so festgelegt hat."

Auch auf einem von Panorama 3 angeregten Treffen zwischen den Altrocks und Vertretern der Gemeinde kommt es zu keiner Annäherung. Rolf Torkel will kein Fehlverhalten der Gemeinde erkennen. Der Gemeindekämmerer fordert, die Flächen seien so "zu behandeln wie wir das von Anfang an gesagt haben." Dann gebe es auch keine Probleme. Die Altrocks wollen die Sache nun vor Gericht klären. Auch wenn das Ergebnis ungewiss ist: transparentes Handeln einer Kommune geht anders.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 22.03.2016 | 21:15 Uhr

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Umweltpolitik

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