Grüne fordern Aufarbeitung von Schwesigs Rolle bei Nord Stream 2
Die Kritik an Ministerpräsidentin Schwesig wegen ihrer Russland-Politik und der umstrittenen Stiftung Klima- und Umweltschutz MV reißt nicht ab. CDU-Außenexperte Norbert Röttgen legte ihr zuletzt den Rücktritt nahe.
Politiker der Grünen fordern eine Aufarbeitung der Rolle von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) im Zusammenhang mit der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2. Die Angelegenheit sei "mehr als problematisch" und müsse dringend aufgeklärt werden, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, am Dienstag bei NDR MV Live. Die Zeit des "Vertuschens" sei vorbei. "2014 hat Putin die Ukraine das erste Mal überfallen und 2015 sind dann die Verträge zu Nord Stream 2 unterschrieben worden. Und als es Sanktionen gab, war sich die Landesregierung nicht zu schade, eine sogenannte Umwelt- und Klimastiftung zu errichten, um die Sanktionen zu umgehen." Das sei "mehr als skandalös", so Hofreiter. Jetzt einfach nur zuzugeben, dass man einen Fehler gemacht habe, sei zu wenig. Vielmehr gelte es für Schwesig, die "so viel Verantwortung auf sich geladen" habe, Konsequenzen zu ziehen.
Hofreiter: Schwesig soll sich für Öl-Embargo und Lieferung schwerer Waffen einsetzen
Hofreiter würde sich von Schwesig wünschen, dass sie sich nun mit aller Kraft für die Ukraine einsetzt, indem sie innerhalb der SPD vehement für ein Öl-Embargo und die Lieferung schwerer Waffen kämpfen müsse. "Das heißt: Nicht nur 'Sorry' sagen, sondern auch wirklich seine Politik verändern." Hofreiter begrüßte die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Mecklenburg-Vorpommern. Zudem sei auch die Union gefragt, in den eigenen Reihen die Geschehnisse aufzuarbeiten. Denn die CDU war in Mecklenburg-Vorpommern bei der Nord-Stream-2-Vertragsunterzeichnung an der Regierung im Nordosten beteiligt und hatte zudem das Bundeskanzleramt inne.
Röttgen empfiehlt den Rücktritt Schwesigs
Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen legte Schwesig nach den Berichten über ihre Verflechtungen mit Moskau zuletzt den Rücktritt nahe. Schwesig habe mit einem russischen Unternehmen gemeinsame Sache gemacht und die Öffentlichkeit anhaltend und bewusst getäuscht. Wenn die in den Medien beschriebenen Sachverhalte zutreffen, könne Schwesig nicht im Amt bleiben, sagte Röttgen im Gespräch mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Ähnlich äußerte sich Hofreiter bei NDR MV Live: "Natürlich ist insbesondere problematisch, wenn die Vorwürfe sich als richtig herausstellen - und alles deutet darauf hin, dass sie richtig sind - und sie die Unwahrheit gesagt hat."
Forderung nach Transparenz
Andere Grünen-Politiker äußerten sich ähnlich. "Die Verwebung zwischen der Schweriner Landesregierung und dem russischen Staatskonzern Gazprom war stets verheerend und muss nun endlich aufgearbeitet werden", sagte der Bundesvorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) am Dienstag. Schwesigs bisherige Äußerungen dazu seien zu wenig. Hannes Damm, energie- und klimapolitischer Sprecher der Grünen im Landtag von MV forderte derweil, dass sich die Ministerpräsidentin ihrer Verantwortung stellt und alle Karten auf den Tisch legt: "Bisher hat Manuela Schwesig trotz mehrfacher Ankündigung nicht für Transparenz gesorgt. Stattdessen wird behauptet, dass alle erhobenen Anschuldigen falsch seien", teilte er mit.
Regierungssprecher weist Kritik zurück
Regierungssprecher Andreas Timm wies Röttgens Kritik als unglaubwürdig zurück. Der Bau der Ostseepipeline sei von der vorherigen Bundesregierung aus CDU und SPD immer befürwortet worden. Die Stiftung Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern sei unter einer Landesregierung aus SPD und CDU und im Landtag mit einer breiten Mehrheit auf den Weg gebracht worden, so Timm auf NDR Anfrage. Schwesig selbst äußerte sich am Dienstag nicht. Ihr Staatskanzlei-Chef Patrick Dahlemann mahnte Sachlichkeit an. "Der Angriff Putins hat alles verändert, und deshalb sollten wir uns gemeinsam auf die rechtlichen Möglichkeiten zur Auflösung der Stiftung konzentrieren", so Dahlemann. Der Landtag hatte unmittelbar nach Kriegsbeginn in der Ukraine die Auflösung der Stiftung beschlossen, was auch von Schwesig unterstützt wird. Allerdings wehrt sich bislang der Vorstandsvorsitzende, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), aus rechtlichen Gründen dagegen.
Politologe: Schwesig nicht die einzige, die Fehler gemacht hat
Der Rostocker Politologe Wolfgang Muno forderte die vollständige Aufdeckung aller wirtschaftlichen Verbindungen mit Russland. "Bei dieser Russland-Connection geht es nicht nur um Schwesig, es geht um alle Vorgänge, die die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland angehen", sagte Muno am Dienstag. Schwesigs Position sei zwar gerade stark gefährdet, sie sehe sich Rücktrittsforderungen ausgesetzt. "Aber der Blick auf die großen Zusammenhänge könnte sie retten, denn sie ist bei weitem nicht die einzige, der bei der Russland-Politik Fehler vorgeworfen werden können", sagte der Politologe.
Große Teile der deutschen Energieinfrastruktur an Russland verkauft
Muno erinnerte daran, dass in den vergangenen Jahren große Teile der Energieinfrastruktur an Russland verkauft worden seien. Beispielsweise sei Gazprom Germania Eigentümerin wichtiger Unternehmen der deutschen Gaswirtschaft. Dazu gehören etwa der Gas-Großhändler Wingas und der Gasspeicherbetreiber Astora, der den größten Gasspeicher in Deutschland betreibt. "Dass die Speicher bei Kriegsbeginn auf einem historischen Tiefstand waren, ist als Kriegsstrategie Russland zu werten." Solche Vorgänge würden auch eine öffentliche Entschuldigung der Verantwortlichen wegen der massiven und fahrlässigen Fehleinschätzungen erfordern.
"Man versucht, Druck auf die SPD aufzubauen"
Sein Kollege, der Rostocker Politikwissenchaftler Jan Müller, sagte bei NDR MV Live zu den an Schwesig addressierten Rücktrittsforderungen, dass sich ein "inner-Berliner Druck" bilde. "Man versucht, Druck auf die SPD aufzubauen. Man merkt, in der Kommunikation und in der Außenkommunikation ist die Bundes-SPD gerade nicht besonders glücklich und aktiv." Die Causa Schwesig biete die Angriffsfläche, um Forderungen hinsichtlich eines Umschwenkens in der Ukraine-Politik der SPD zu erreichen.
Hat die Landesregierung den Willen zur Aufklärung?
Im Mai wird sich in Schwerin ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss um die Hintergründe der Klimastiftung kümmern. Die FDP - mit Fraktionschef René Domke - warnt jetzt vor dem Verschwinden von Unterlagen zur Klimastiftung. Die Liberalen äußern ein deutliches Zeichen von Zweifel, was den Willen zur Aufklärung auf Seiten der Landesregierung angeht. Domke spielt mit seiner Befürchtung auch darauf an, dass zuerst die Presse fast 1.000 Seiten Informationen zur Klimastiftung einsehen konnte. Auch die Grünen sind unzufrieden mit dem Stand der Informationen und prüfen, vor das Landesverfassungsgericht zu ziehen.
Die Stiftung war Anfang 2021 mit dem Ziel gegründet worden, unter Umgehung der Sanktionsdrohungen aus den USA die Ostseepipeline Nord Stream 2 fertigzubauen.
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