Anschlag Breitscheidplatz: U-Ausschuss befragt weitere Zeugen aus MV
Vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag auf den Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 sagen heute Innenstaatssekretär Thomas Lenz, Verfassungsschutzchef Reinhard Müller und der ehemalige V-Mann-Führer A.B. aus.
Erneut geht es um die Frage: warum hat der Verfassungsschutz Mecklenburg Vorpommern Informationen eines V-Mannes zur Flucht des Terroristen Anis Amri und zu seinen möglichen Unterstützern aus der Clan-Szene nicht vollständig an die Bundesanwaltschaft weitergegeben. Verfassungsschutzchef Müller soll erneut dazu Auskunft geben, auf welcher Rechtsgrundlage die Entscheidung dazu gefällt wurde. Vor zwei Wochen endete die erste Vernehmung in einem Eklat, weil Müller Antworten nur in geheimer Sitzung geben wollte. Die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses bestanden aber auf einer öffentlichen Befragung. Nach gut vier Stunden juristischen Hickhacks wurde die Sitzung abgebrochen, Müller ein Ordnungsgeld angedroht und eine erneute Vorladung beschlossen.
Opposition kritisiert Lenz vor Befragung
Innenstaatssekretär Lenz soll dazu Auskunft geben, ob er in den Entscheidungsprozess eingebunden war. Er hatte im Vorfeld angekündigt, öffentlich im Ausschuss Rede und Antwort zu stehen. Allerdings sorgte auch der Staatssekretär jetzt bereits für einen Eklat noch vor der Sitzung, die heute um 10 Uhr beginnt. Die Abgeordnete Martina Renner (Die Linke) kritisierte Lenz auf Twitter dafür, Journalisten zu einem Pressegespräch eingeladen zu haben. Renner sagte, "Offenbar meint man in Mecklenburg-Vorpommern, der Untersuchungsausschuss sei irgendein Witzgremium. Anders ist es nicht zu verstehen, wenn ein Zeuge (Staatssekretär Lenz) am Abend vor seiner Vernehmung ausgesuchte Presse zu einem exklusiven Hintergrund einlädt, um schon einmal die eigene Erzählung zu setzen."
Aussage vom ehemaligen V-Mann mit Spannung erwartet
Das dürfte für zusätzlichen Zündstoff sorgen. Genau wie die Aussage des Zeugen A.B., eines ehemaligen V-Mann-Führers, der weitere Einschätzungen zur Glaubwürdigkeit des V-Mannes geben soll, der die Informationen zur Flucht Amris lieferte. Die Glaubwürdigkeit dieser Hinweise ist umstritten. Nach NDR-Informationen soll A.B. aber auch noch weitere Punkte in seiner Aussage in nichtöffentlicher Sitzung ansprechen, deshalb ist die Spannung vor seinem Auftritt im Untersuchungsausschuss besonders groß.
Fragenkatalog zu Terroranschlägen in Paris 2015
Langsam aber sicher wächst sich die Geschichte zu einer veritablen Affäre des Verfassungsschutzes in Mecklenburg-Vorpommern aus. Und sie reicht womöglich auch über den Amri-Fall hinaus. Gestern Abend legte der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Friedriszik im Innenausschuss des Landtags einen Fragenkatalog vor, der sich auf die Terroranschläge in Paris 2015 bezieht. Konkret geht es um eine beim Verfassungsschutz MV verschwundene Waffe.
Der Fragenkatalog liegt dem NDR vor:
- Ist im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums (Verfassungsschutz), vor den Anschlägen von Paris 2015, eine Kalaschnikow AK 47 (serbischer Lizenzbau) verschwunden?
- Warum hat der Verfassungsschutz eine AK 47 in seinen Beständen?
- Wurde diese Waffe bei den Anschlägen eingesetzt?
- Wurde die Parlamentarische Kontrollkommission informiert?
Antworten darauf wird es aber voraussichtlich erst in einer Sitzung am 14. Januar kommenden Jahres geben. Auch mehrere Bundestagsabgeordnete bestätigten dem NDR, dass sie die Geschichte vom Hörensagen her kannten. Doch so recht glauben wollte sie in Berlin bisher niemand. Das könnte sich allerdings heute ändern. Der Zeuge A.B. will nach Informationen einer Quelle im Landtag das Thema heute in seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss ansprechen. Sollte das zutreffen, würde das der Verfassungsschutzaffäre MV eine ganz neue Dimension geben.
12 Menschen starben 2016 auf dem Breitscheidplatz
Anis Amri hatte am 19. Dezember 2016 in Berlin erst einen Lastwagenfahrer erschossen und dann mit dem gekaperten LKW auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz elf weitere Menschen getötet. Nach seiner Flucht über Frankreich wurde er wenig später in Italien von der Polizei erschossen.
