Umwelthilfe fordert Gebäudesanierung statt Abriss und Neubau
Im vergangenen Jahr wurden gut 14.000 Gebäude in Deutschland abgerissen - und oftmals an selber Stelle neue gebaut. Dafür müssen Baumaterialien wie Beton hergestellt werden und das belastet die Umwelt mit Emissionen. Sanierung statt Abriss und Neubau, fordert daher die Deutsche Umwelthilfe und hat eine Negativliste mit den absurdesten Gebäudeabrissen vorgelegt.
Thorsten Lewin ist immer noch enttäuscht. Er hat ein Modegeschäft in der Hamburger Neustadt. Am alten Kontorhaus in der Straße Johannisbollwerk kam er regelmäßig vorbei und kämpfte für den Erhalt des mehr als 100 Jahre alten Gebäudes: "Ich bin die Monate vor dem Abriss oft mit der Fähre zu den Landungsbrücken gefahren und habe es von der Wasserseite aus gesehen." Das Haus sage viel über Hamburg und die Entwicklung der Hafenrandkante aus, sagt Lewin. Daher sei es ihm wichtig gewesen, zu versuchen, das Haus zu erhalten.
Negative Auswirkungen auf das Klima
Lewin wandte sich an den Denkmalverein, aber vergeblich: Das Gebäude wurde auf Bestreben eines privaten Investors im vergangenen Sommer abgerissen. Ein neues soll nun dort gebaut werden, offenbar ein achtstöckiges Hotel- und Bürogebäude.
Diese gängige Praxis - Abriss und Neubau - wollen die Deutsche Umwelthilfe und die Vereinigung Architects for Future stoppen. Denn sie bedeute nicht nur einen kulturellen Verlust, sondern habe vor allem negative Auswirkungen auf das Klima, sagt Paula Brandmeyer von der Deutschen Umwelthilfe. Zehn Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes gingen auf die Herstellung und Entsorgung von Gebäuden und Baumaterialien zurück. Und die Hälfte der Emissionen eines Gebäudes entstünden bereits beim Bau.
Sanierte Gebäude bekommen keinen Denkmalschutz
"Man kann sich bei Baustoffen wie Beton oder Sand vorstellen, mit welchem Energieaufwand die einmal abgebaut und in neuen Gebäuden verbaut werden", sagt Brandmeyer. Durch jeden Neubau würden neben vielen weiteren negativen Auswirkungen auch graue Energien und Emissionen entstehen, die für Bau, Herstellung und Transport eines Gebäudes aufgewendet werden. Das Problem: Das Gebäude am Johannisbollwerk 10 stand nicht unter Denkmalschutz. Der Grund: Es wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und verändert wieder aufgebaut. Das hatte das Hamburger Denkmalschutzamt schon im Jahr 2018 festgestellt.
Unter anderem wurden Fenster, Türen und Balkone erneuert und der Stufengiebel vereinfacht wieder hergestellt. Das alte Gebäude wurde also saniert, um es zu erhalten, und konnte dadurch keinen Denkmalschutz-Status bekommen, erklärt Sorina Weiland, Pressesprecherin des Bezirksamtes Mitte. Und der Investor durfte es deswegen abreißen: "Die Genehmigungsbehörde kann eine Abbruchgenehmigung dann nicht versagen, wenn nicht Wohnraumschutz, Denkmalschutz oder eben auch soziale Erhaltungsverordnung dagegensprechen", sagt Weiland. Es gäbe tatsächlich einen Rechtsanspruch auf eine Abbruchgenehmigung. Die Klimafolgen seien jetzt nicht Teil des Baurechtes und eine Prüfung daher nicht vorgesehen.
Klimafolgen bei Abriss-Entscheidung berücksichtigen
Genau das wollen die Deutsche Umwelthilfe und Architects for Future nun ändern. Sie fordern, dass künftig der Abriss eines Gebäudes nur dann genehmigt werden darf, wenn auch die Klimafolgen bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Konkret bedeute dies, Abriss und Neubau müssten ökologischer sein als eine Sanierung. Brandmeyer: "Sanierung, Umbauten, Umnutzung und bauliche Erweiterung wie jetzt beispielsweise in Anbauten oder bei einer Aufstockung sollten gegenüber Neubauten privilegiert und attraktiver gestaltet werden." Bis es aber so weit ist, werden wohl noch viele weitere Gebäude abgerissen - und neue gebaut.