Publizist de Weck: ARD wichtiger denn je - braucht aber Reform
Die ARD feiert 75. Jubiläum. In dieser Zeit hat sich die "Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland" sehr verändert: Von anfangs sechs Sendern mit überschaubarem Programm, zum wohl größten Informations-Angebot Deutschlands.
Mit der Zeit haben sich die Anforderungen an die ARD gewandelt. Deshalb hat vor zwei Jahren eine Expertengruppe Ideen für die Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks ausgearbeitet, die jetzt umgesetzt werden.
Beim "Zukunftsrat" dabei war der Schweizer Publizist und ehemalige Chefredakteur der "Zeit" Roger de Weck. Er erklärt im NDR Info Interview: "Jeder ruft nur noch das ab, was ihn am meisten interessiert. Heißt: die Kumulierung kleiner Publikationen wird wichtiger. Und der Blockbuster, der das große Publikum erreicht, wird weniger wichtig."
ARD soll kein Boulevard werden, sondern Journalismus treu bleiben
Doch trotz Reformbedarf müsse sich die ARD treu bleiben - statt sich zu kommerzialisieren. Wenn die Beiträge einzeln abgerufen würden, müsse sich jeder einzelne gut verkaufen, erläutert de Weck. "Da besteht die Verlockung, sich zu boulevardisieren. Und hier haben die Öffentlich-Rechtlichen die Riesen-Chance, sich aus diesem Medienbetrieb herauszuhalten und dem Journalismus treu zu bleiben."
Medienbetrieb sei emotional, sei Meinung und interessiere sich für Nachfrage und Klicks. Journalismus hingegen beschäftige sich mit Fakten und wahre Distanz. "Das ist das Privileg der Öffentlich-Rechtlichen: Da sie kein Geld verdienen müssen, können sie dem Journalismus wesentlich leichter treu bleiben als private Medien", so de Weck. Wenn es nur auf die Klicks ankäme, würde man viele relevante Themen, zum Beispiel aus Wirtschaft und Kultur, nicht mehr machen.
Reform des Öffentlich-Rechtlichen: Geld in digitale Angebote verlagern
Auf der organisatorischen Seite sieht Roger de Weck bei der Reform der ARD großen Handlungsbedarf: "Wir haben ein Gefüge mit einem Etat von sieben Milliarden Euro und keine oberste Instanz der Aufsicht und der Strategie - das geht nicht!" Diese neue Instanz müsse auch für bessere Arbeitsteilung zwischen den Anstalten der ARD sowie einer harmonisierenden Technik sorgen. Das würde anfangs Geld kosten, man müsse investieren, so de Weck. "Aber das würde mittelfristig viel Geld freisetzen, das ins Programm und namentlich ins digitale Angebot verlagert werden kann."
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda ist der gleichen Meinung. Zur Reform des Medienstaatsvertrags sagte er im NDR Info Interview: "Es müsste schneller gehen, (…) aber es ist kompliziert. Der Zukunftsrat hat uns eine Menge Hausaufgaben auf den Tisch gelegt, die wir inhaltlich umgesetzt haben, wo wir aber dringend an die praktische Umsetzung gehen müssen."
Brosda gibt sich aber zuversichtlich: "Ich glaube, dass wir es am Ende hinbekommen werden, weil alle die politische Verantwortung übernehmen, dass wir eine öffentlich-rechtliche Medienlandschaft in unserem Land erhalten."
Das wünscht sich auch Publizist Roger de Weck: "Die ARD ist eine Erfolgsgeschichte. Aber sie muss sich erneuern, damit diese Geschichte fortgeschrieben werden kann."
