Stand: 01.12.2016 13:56 Uhr

PanamaPapers-Recherchen haben Konsequenzen

Mit dem Rechercheprojekt "PanamaPapers" haben Reporter auf aller Welt - unter anderem von NDR Info - in den vergangenen Monaten viele Schlagzeilen gemacht - und einige Spitzenpolitiker, Funktionäre und Prominente in Bedrängnis gebracht. In mehr als 70 Ländern beschäftigen die Recherche-Ergebnisse momentan die Strafermittler. Wie das Internationale Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) berichtet, laufen derzeit weltweit rund 6.500 Verfahren. Es gehe vor allem um den Verdacht der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung. Die Rückforderungen könnten sich auf eine Milliardensumme belaufen. In den "NDR Info Perspektiven" berichten wir über den Stand der Dinge und geben einen Ausblick.

Was ist das Problem an Briefkastenfirmen?

Das größte Problem ist die Intransparenz. In Steueroasen ist es erlaubt, die wahren Eigentümer einer Firma zu verschleiern. Im Handelsregister stehen sogenannte Scheindirektoren. Die stellen dann eine Vollmacht für den wahren Eigentümer der Firma aus. Der kann mit der Firma machen, was er will. In offiziellen Registern erscheint davon nichts.

Wozu können Briefkastenfirmen genutzt werden?

Geldwäsche und Steuerhinterziehung sind die wichtigsten Delikte. So kann Schwarzgeld in einer Briefkastenfirma geparkt werden. Der Fiskus in Deutschland kommt da nicht heran, denn offiziell gehört das Geld ja der Briefkastenfirma. Außerdem kann über Briefkastenfirmen Geld aus kriminellen Geschäften in legales Vermögen verwandelt werden - etwa durch den Kauf von Häusern, Grundstücken oder Kunstwerken. Nur Dokumente, wie sie durch die PanamaPapers ans Licht gekommen sind, machen es möglich, solche dubiosen Zahlungsströme aufzuklären.

Wem schaden Steueroasen und Briefkastenfirmen?

Jeden ehrlichen Steuerzahler, wenn es um Steuerhinterziehung geht. Die PanamaPapers haben aber auch gezeigt, wie anrüchige und kriminelle Geschäfte über Briefkastenfirmen abgewickelt werden, etwa die Finanzierung des internationalen Terrorismus, Drogengeschäfte, der Kauf von Raubkunst, oder Unternehmensübernahmen, bei denen am Ende Rentenversicherungen die Geschädigten sind.

Warum ist es so schwer, Steueroasen trocken zu legen?

Jedes Land ist für sein Unternehmens- und Steuerrecht selbst verantwortlich. Regelungen für mehr Transparenz kann also nur im Einvernehmen und durch internationalen Druck auf Steueroasen umgesetzt werden. Lange war der nicht groß genug, auch weil Länder wie die USA oder Großbritannien in ihren Hoheitsgebieten eigene Steueroasen haben.

Was sind die wichtigsten internationalen Reaktionen auf die PanamaPapers?

Global betrachtet muss man zunächst einmal sagen: Die PanamaPapers haben zu einer beispiellosen Ermittlungswelle geführt. Derzeit ermitteln Strafverfolgungsbehörden in 76 Ländern rund um den Globus, auf allen Kontinenten. In den insgesamt 6.500 Verfahren geht es zumeist um den Vorwurf der Steuerhinterziehung und der Geldwäsche. Bislang konnten auf diese Weise bereits mehr als 80 Millionen Euro von Steuersündern zurückgefordert werden. Insgesamt geht es bei den anhängigen Verfahren aber um zig Milliarden Euro. 

Gibt es weitere Folgen?

Mittlerweile sind die Rohdaten der PanamaPapers im Internet öffentlich zugänglich. Die europäische Polizeibehörde Europol hat dazu bereits erklärt, man habe in der Datenbank Tausende Hinweise auf die russische Mafia, auf Geldwäscher und Terrorverdächtige gefunden und wolle dem nun nachgehen.

Fernab der strafrechtlichen Komponente mussten sich in den vergangenen Wochen aber natürlich auch viele Politiker und Manager für ihre Geschäfte mit Briefkastenfirmen verantworten. So ist beispielsweise Islands Premierminister über die PanamaPapers gestolpert und auch der spanische Industrieminister. Mittlerweile ist auch der Chef von Österreichs staatseigener Bank Hypo Landesbank Voralberg zurückgetreten, sowie der Chef von Taiwans Bankenregulierungsbehörde, ein Mitglied der Fifa-Ethik-Kommission, ein ranghoher Beamter in Armenien und noch andere Menschen. Die Ermittlungsarbeit hat, wie gesagt, gerade erst begonnen.

Was sind die politischen Folgen der PanamaPapers-Recherchen?

Auch da beobachten wir Journalisten derzeit eine wirklich erfreuliche Entwicklung, denn mehrere Länder haben - in direkter Folge der PanamaPapers - ihre Gesetze verschärft, um künftig besser gegen Steueroasen kämpfen zu können. Darunter übrigens auch Deutschland. Hier sollen Banken stärker in die Pflicht genommen werden, wenn sie Briefkastenfirmen an Kunden verkaufen. In der Mongolei sollen Politiker und Beamte künftig überhaupt keine Tarnfirmen mehr besitzen dürfen. Viele andere Länder, darunter die USA, der Libanon, Neuseeland, Irland und übrigens auch Panama wollen schärfere Transparenz-Regeln umsetzen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die PanamaPapers-Veröffentlichung gerade erst etwas mehr als ein halbes Jahr zurückliegt, ist das wirklich eine erstaunliche Entwicklung.

Erleben wir gerade das Ende der Steueroasen?

Nein, das muss man ganz klar sagen. Das ist leider nicht der Fall. Denn man darf natürlich nicht vergessen, dass die Regierungen vieler Länder, darunter etwa Russland, Indien und China überhaupt nicht auf die Veröffentlichungen reagiert haben. Und die USA werden künftig von einem Präsidenten regiert, der selbst in Steuertricks verwickelt sein soll. Wir dürfen gespannt sein, ob der internationale politische Wille, Steueroasen auszutrocknen, wirklich Bestand haben wird. Und noch eins darf man nicht vergessen: Die Anwaltskanzlei, die im Zentrum der PanamaPapers-Veröffentlichungen stand, Mossack Fonseca, ist ein großer Anbieter von Briefkastenfirmen - aber bei Weitem nicht der größte Anbieter. Höchstwahrscheinlich kennen wir bislang also lediglich die Spitze des Eisbergs. Unter dem Strich könnte man sagen: Die PanamaPapers haben schon jetzt viel bewegt. Bis Steueroasen ausgetrocknet sind, ist es aber noch ein weiter Weg.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 01.12.2016 | 16:20 Uhr

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