In dem kassenlosen Biomarkt sind die Kamares an der Decke zu sehen und Kundschaft. © picture alliance Foto: Markus Scholz
In dem kassenlosen Biomarkt sind die Kamares an der Decke zu sehen und Kundschaft. © picture alliance Foto: Markus Scholz
In dem kassenlosen Biomarkt sind die Kamares an der Decke zu sehen und Kundschaft. © picture alliance Foto: Markus Scholz
AUDIO: Kassenloser Supermarkt: Einkaufen ohne Personal in Hamburg (4 Min)

Künstliche Intelligenz beim kassenlosen Einkaufen im Praxistest

Stand: 13.06.2023 07:40 Uhr

Den Einkauf im Supermarkt oder einem anderen Laden kontaktlos bezahlen - ganz ohne Kassenschlange oder Selbstscannen: Das ist die Idee des "Pick and go"-Konzepts für eine App, die ein Start-up aus Hamburg entwickelt hat. Kern sind Kameras, die mit Künstlicher Intelligenz die Warenmenge erkennen können.

von Wiebke Neelsen

Jörg Meyer betreibt zehn Edeka-Filialen in Norddeutschland - und hat ein Problem: Er findet kaum noch Personal für seine Geschäfte. Nun möchte der Geschäftsmann die Prozesse in seinen Läden automatisieren - und ein "kassenloser Checkout" ist daher eine gute Alternative für ihn. Für die Umsetzung arbeitet Meyer mit dem Hamburger Start-up autonomo zusammen. Zum Jahresende soll es in Filialen auf Sylt und Hamburg losgehen.

Kassenloser Test-Biomarkt in Hamburg-Eppendorf

Autonomo-CEO James Sutherland vor seinem Hoodie-Laden. © NDR Foto: Wiebke Neelsen
Der kleine autonome Test-Biomarkt funktioniert mit App.

Autonomo betreibt bereits seit August 2022 einen kassenlosen Biomarkt namens "Hoody" im Hamburger Stadtteil Eppendorf. Das System, das das Start-up entwickelt hat, funktioniert für den Start des Einkaufs so: App fürs Smartphone herunterladen, den Barcode der App an den Scanner am Ladeneingang halten, den Piepton abwarten und Einlass ins Geschäft erhalten. Das geht zu fast jeder Tages- und Nachtzeit, sonntags aber muss der Laden für einige Stunden aufgrund behördlicher Vorgaben der Stadt Hamburg schließen.

Einkaufspreis wird automatisch abgebucht

In dem Laden sieht es aus wie in einem ganz normalen Supermarkt - er ist nur etwas kleiner: Es gibt frisches Obst und Gemüse, Kühlregale, Getränke und haltbare Lebensmittel. Was allerdings fehlt, sind die Mitarbeitenden. Dafür gibt es in dem Geschäft Kameras, die den Einkauf aufzeichnen und dann mithilfe von Künstlicher Intelligenz den Preis berechnen. Die Kundinnen und Kunden packen dann bei dem Einkaufskonzept namens "Pick and Go" (oder "Grab and Go") einfach ihre Waren zusammen und verlassen den Laden. Der Kaufpreis wird automatisch per Paypal oder Kreditkarte eingezogen - die entsprechenden Daten müssen die Nutzerinnen und Nutzer der App bereits bei ihrer Anmeldung hinterlegen.

"Jeden Tag verbessern wir bis zu 15 kleine Dinge"

Günstiger als in einem konventionellen Supermarkt ist das Einkaufen im "Hoody" in Hamburg nicht.

"Es ist ein Testladen", sagt autonomo-Chef James Sutherland, der vor gut zwei Jahren aus London nach Hamburg gekommen ist, um an der App zu arbeiten. "Wir probieren hier Dinge aus, um sicherzustellen, dass die Technologie funktioniert. Jeden Tag verbessern wir fünf bis 15 kleine Dinge, von der Bedienung der App über Zahlungsmechanismen bis zur Geschwindigkeit der Rechnungsstellung."

Noch arbeitet das System nicht fehlerfrei

Nicht immer erkennt die Künstliche Intelligenz, die in dem System steckt, zum Beispiel die Stückmenge der Waren korrekt. Beim Testkauf von NDR Info wurden etwa statt sechs Karotten am Ende nur drei berechnet. Wer Fehler auf seiner Rechnung entdeckt, kann diese über die App reklamieren, sagt Sutherland dazu.

Ein paar Hundert Transaktionen macht der kleine Laden in Hamburg an einem durchschnittlichen Verkaufstag. Möglichst hohe Verkaufszahlen seien bisher aber auch noch nicht das Ziel, so der App-Entwickler: "Wir schauen nicht auf die schnellen Gewinne. Wir wollen früher als andere am Markt sein, indem wir die Kundschaft verstehen lernen. Dann können wir die Bedürfnisse von Edeka und unseren anderen Partnern auch besser erfüllen."

App eignet sich für kleine Einkäufe und kleine Läden

Autonomo-CEO James Sutherland vor seinem Hoodie-Laden. © NDR Foto: Wiebke Neelsen
Autonomo-CEO James Sutherland entwickelt das Einkaufs-Konzept noch weiter.

Die Zielgruppe der App sind Menschen, die kleinere Einkäufe für die nächsten Tage machen und keinen großen Wochenend-Einkauf. Das kassenlose System funktioniert bisher nur für kleinere Läden. Die KI entwickelt sich aber stetig weiter, um auch größere Flächen erkennen zu können.

In einer Umfrage bei Passanten zu dem Geschäftsmodell wird Zustimmung, aber auch Skepsis geäußert. Minuspunkte könnten demnach eine fehlende persönliche Beratung sein oder dass die Kundinnen und Kunden beim Einkauf immer das Smartphone mit der App dabei haben müssen. Zumindest Letzteres soll in Meyers Edeka-Märkten aber keine Hürde darstellen: Für die Identifizierung und den Einlass ins Geschäft soll dort die EC- oder Kreditkarte ausreichen.

Handelsverband Deutschland sieht Potenzial

Für Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland (HDE) haben Modelle wie das der automono-App Zukunft - insbesondere auf dem Land. Sogar mehr als Lieferdienste, die zwar ebenfalls im Trend lägen, aber sehr kapitalintensiv seien. "Es muss ja das, was der Kunde macht, indem er die Ware aus dem Regal nimmt und nach Hause transportiert, mit abgebildet werden. Und das sind natürlich Kosten, die im stationären Handel nicht anfallen." Derzeit seien viele Handelsunternehmen in Experimentierphasen. Insgesamt gibt es bisher an acht Standorten zwischen Köln und München solche "Grab and Go"-Läden wie in Hamburg.

Ganz ohne Personal geht es jedoch auch in den kassenlosen Läden nicht. Bis zu drei Stunden täglich, so Sutherland, ist auch im Hamburger Laden "Hoody" jemand vor Ort, um die Regale aufzufüllen und den Laden zu putzen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Wirtschaft | 13.06.2023 | 07:40 Uhr

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