Eine riesige Solarenergie-Anlage in der Wüste Gobi in China

Klima-Sünder und Klima-Pionier: Die zwei Gesichter Chinas

Stand: 23.01.2022 17:50 Uhr

Ohne China ist die weltweite Klimakrise nicht in den Griff zu bekommen. Denn China ist beim Blick auf die CO2-Emissionen aktuell der größte Verschmutzer. Zugleich gibt es in dem Land gigantische Klimaschutz-Projekte.

von Marc-Oliver Rehrmann, Susanne Tappe und Arne Schulz

Für viele Klimaschützer hat China die Rolle des Bösewichtes eingenommen. Aber das Land mit den rund 1,4 Milliarden Einwohnern hat auch den Kampf gegen die Klimakrise aufgenommen. Die Klimapolitik ist weiter fortgeschritten, als man hierzulande wahrnimmt. Können wir sogar einiges von China lernen?

Größter Klima-Verschmutzer der Welt - aber nicht pro Kopf

Richtig ist: China will erst im Jahr 2060 klimaneutral werden, Deutschland schon 2045. Und mit Blick auf die CO2-Emissionen ist China in absoluten Zahlen der größte Klima-Verschmutzer der Welt. 10,6 Milliarden Tonnen Kohlendioxid waren es allein im Jahr 2020. Das sind mehr als 30 Prozent aller globalen Emissionen und 16 Mal mehr CO2-Emissionen, als in Deutschland in einem Jahr zusammenkommen.

Was man aber auch wissen sollte: Rechnet man die Treibhausgas-Emissionen pro Kopf aus, steht China viel besser da. Im "Global Carbon Atlas" landet das Land dann nur auf Platz 40 der größten Verschmutzer - und ist auch sauberer als Deutschland.

Ein Windpark in der Wüste Gobi © Imago
AUDIO: Podcast "Mission Klima": Wie China in der Wüste die Energiewende beschleunigt (33 Min)

China: CO2-Emissionen steigen noch weiter

Ein großes Problem mit Blick auf die Erd-Erhitzung ist: China wird in den kommenden Jahren voraussichtlich noch mehr Treibhausgase verursachen als jetzt. So hat es die Regierung selbst angekündigt. Den Höhepunkt will China erst spätestens 2030 erreichen. Das Land setzt auch weiter auf die Kohle, so sind mehr als 200 Kohlekraftwerke gerade im Bau oder in der Planung. Aktuell kommen rund 60 Prozent des Stroms aus Kohlekraftwerken.

"Beim Wirtschaftswachstum lässt sich China nicht bremsen"

"China braucht extrem viel Strom für seine ambitionierten Wirtschaftsziele", sagt die ARD-Korrespondentin in China Eva Lamby-Schmitt im Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise" von NDR Info. "Da wird sich China auch nicht bremsen lassen. Die Wirtschaft hat Priorität." Aber zugleich baut China die erneuerbaren Energien aus, um ab 2030 den Anteil der Kohle zurückzufahren. "Die Klimaschutz-Projekte helfen China dabei, auf internationalem Parkett das Gesicht wahren zu können", sagt Lamby-Schmitt.

Ein gigantischer Solarpark in der Wüste Gobi

Eine riesige Solarenergie-Anlage in der Wüste Gobi in China
In der Wüste Gobi ist eine riesige Solarenergie-Anlage entstanden - die zweitgrößte der Welt.

Die China-Korrespondentin berichtet von riesigen Solaranlagen in der Wüste Gobi. "Das ist der größte Solarpark des Landes und der zweitgrößte der Welt." Zudem entsteht in der Wüste Gobi einer der größten Energiespeicher der Welt. Bei dem Vorzeige-Projekt wird "grüne Energie" im riesigen Ausmaß gespeichert - für Zeiten, wenn der Ertrag aus Sonnen- und Windenergie-Anlagen nicht so groß ausfällt wie erforderlich.

Rasantes Tempo bei Solar- und Windparks

Während in Deutschland der Ausbau der Wind- und Solarenergie zuletzt arg ins Stocken geraten war, sind die Zahlen aus China beeindruckend: Im Jahr 2020 war das Land - weltweit betrachtet - für die Hälfte des Zubaus bei den Erneuerbaren Energien verantwortlich. Mit anderen Worten: Die Hälfte der weltweiten Fortschritte bei der Energiewende gingen auf das Konto Chinas. Besonders im Vergleich mit Deutschland zeigt sich das enorme Tempo: China hat Ende 2020 innerhalb von nur drei Monaten mehr Solar- und Wind-Anlagen errichtet, als in Deutschland bis dahin insgesamt installiert war.

Wie kommt der Strom in die Großstädte?

Eine Ultrahochspannungs-Masten in der Wüste Gobi in China
Mit solchen Ultrahochspannungs-Masten transportiert China den "grünen Strom" aus der Wüste in die Ballungszentren.

Ähnlich wie in Deutschland steht auch die Politik in China vor der Herausforderung, den Strom aus den Wind- und Solarparks dorthin zu transportieren, wo der Strombedarf groß ist - in Großstädte und Industrie-Zentren. China hat bereits einen Ausweg gefunden, indem das Land auf die sogenannte Ultrahochspannungs-Technologie für Stromtrassen setzt. "Bei dieser Technologie ist China führend" sagt Korrespondentin Lamby-Schmitt. Mit ihr lassen sich große Distanzen überbrücken. "Genau das braucht China, wenn es große Mengen Strom aus der Wüste in die Städte bringen will." Und so sind bereits unzählige Masten dieser Stromtrasse in der Wüste Gobi zu sehen.

China treibt "grüne Technologien" voran

Und was im Westen kaum wahrgenommen wird: China investiert schon heute massiv in "grüne Technologien". Das Land verfügt hier über mehr als die Hälfte der Patente - und liegt dabei vor den USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland. Und die Forschungsausgaben sollen in den nächsten Jahren noch deutlich steigen.

"Chinas Klimapolitik reicht nicht aus"

Ein Energiespeicher in der Wüste Gobi in China
Auch auf die Frage, wie sich Strom aus erneuerbaren Energien speichern lässt, hat China eine Antwort gefunden.

Wie also ist Chinas Vorgehen in der Klimakrise einzuordnen? "Aus meiner Sicht ist China klimapolitisch aktiv und kommt auch beim Klimaschutz voran", sagt Sonja Peterson vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Sie forscht schwerpunktmäßig zur internationalen und europäischen Klimapolitik. "Insbesondere hat China im Jahr 2021 ein nationales Emissionshandel-System eingeführt. Das war ein großer Schritt. Aber es reicht nicht aus, da China ein so großer Verursacher von CO2-Emissionen ist."

Auf die Klima-Diplomatie kommt es an

Mit Chinas bisheriger Klimapolitik ist also das Ziel des internationalen Klima-Abkommens von Paris nicht zu erreichen - nämlich, dass die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit beschränkt wird. Die Staaten-Gemeinschaft will sogar versuchen, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Wie könnte die internationale Gemeinschaft die chinesische Regierung dazu bringen, noch mehr zu tun?

"Es ist kaum möglich, China zu irgendetwas zu zwingen", sagt Expertin Peterson. "Das Wichtigste wird sein, auf internationaler Ebene die Klima-Diplomatie zu betreiben und das Thema fortwährend auf der Agenda zu halten und mit China im Gespräch zu bleiben. Und da ist es ein wichtiger Schritt, dass in der deutschen Außenpolitik Klimaschutz mit der neuen Regierung nun wichtiger genommen wird."

Wären Sanktionen gegen China denkbar?

"Sanktionen sind generell auf internationaler Ebene schwierig", sagt Peterson. "Wir müssen damit leben, dass es ein sehr mühsamer Prozess bleibt." Das Allerwichtigste sei, beim Klimaschutz selbst voranzugehen und ein Beispiel zu geben, wie ein Industrieland wie Deutschland oder eine Industrie-Region wie Europa klimaneutral werden kann. "Und zwar auf eine Art und Weise, die weiterhin hohen Wohlstand sichert und mit einer hohen Energie-Sicherheit einhergeht", so die Klimapolitik-Expertin. "Wenn es uns gelingt, die dafür notwendigen Technologien weiterzuentwickeln und marktfähig zu machen, werden andere Länder davon stark profitieren und sie übernehmen können."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Mission Klima – Lösungen für die Krise | 24.01.2022 | 06:40 Uhr

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