Angst im Dunkeln: Unsicher auf Norddeutschlands Straßen?
Um Strom zu sparen, gibt es zurzeit weniger Beleuchtung in Städten und Dörfern. Wenn die Uhren auf Winterzeit zurückgestellt sind, wird es abends noch früher dunkel. Manche Menschen sind besorgt - sie haben Angst im Dunkeln.
Auch viele öffentliche Gebäude und Denkmäler in Norddeutschland werden abends weniger stark oder gar nicht mehr beleuchtet. Wir werden also in diesem Jahr insgesamt noch ein bisschen mehr im Dunkeln unterwegs sein als in den vergangenen Jahren. Nicht jeder, nicht jede fühlt sich zu jeder Zeit wohl damit. Aber ist es wirklich unsicherer, im Dunkeln unterwegs zu sein als im Hellen?
34-Jährige: Bei zwei von zehn Spaziergängen in Hamburg angegrabscht
Die Hamburgerin Cindy Behm ist oft in der Sternschanze unterwegs - einem der beliebtesten Ausgehviertel der Stadt. Nicht immer hat sie dabei ein gutes Gefühl. "Blicke gibt es - die gehen immer Richtung Beine, Po, Genitalien. Dass ich angefasst werde, kommt bei zehn Spaziergängen zwei- bis dreimal vor - und das ist immer am Po", erzählt die 34-jährige Erzieherin.
Unsicherheit wird vor allem an dunklen Orten empfunden
Die Organisation Plan International Deutschland aus Hamburg hat weltweit Tausende Frauen und Mädchen in Städten befragt: Wo fühlt ihr euch sicher und wo nicht? Alexandra Tschacher ist die Teamleiterin der Medienabteilung bei Plan International. Sie sagt: "Überrascht hat uns, dass sich doch sehr viele Mädchen und Frauen hier in Hamburg - in ihrer Stadt - nicht sicher fühlen." Über 1.000 Mädchen und Frauen gaben auf einer digitalen Karte Punkte an, an denen sie sich nicht sicher fühlen in der Hansestadt. Auffällig: 80 Prozent dieser Punkte beschreiben Orte bei Dunkelheit.
Kein direkter Zusammenhang zwischen Kriminalität und Dunkelheit
Aber ist es wirklich in der Dunkelheit gefährlicher? Untersuchungen zeigen: Einen direkten Zusammenhang zwischen Kriminalität und Beleuchtung gibt es nicht. Gleichwohl kann sich Dunkelheit im öffentlichen Raum negativ auf das Wohlbefinden auswirken. Was kann jeder Einzelne also tun, um sich im Dunkeln in der Stadt wohler zu fühlen?
Tipp: Selbstbewusst auftreten
Ein selbstbewusstes Auftreten, klare Ansagen machen - das rät Lars Osburg von der Gewerkschaft der Polizei in Hamburg. "Sich in einen Selbstverteidigungskurs begeben, ein bisschen an der Selbstsicherheit arbeiten, zu zweit losgehen - aber auf gar keinen Fall sich zurückziehen und zu Hause bleiben."
"Heimwegtelefon" nimmt manchen die Angst
Doch ein Gefühl von Unsicherheit lässt sich oft nicht so einfach rational bekämpfen oder gar abstellen. Der ehrenamtliche Verein Heimwegtelefon e.V. setzt genau dort an. Er bietet an: "Ruft uns nachts an, wenn ihr euch unsicher fühlt! Wir begleiten euch an eurem Handy bis nach Hause." Pro Jahr würden etwa 8.000 Menschen bei der Hotline anrufen. Daniel ist einer von 100 Ehrenamtlichen, die diese Anrufe entgegennehmen. "Wir merken, dass die Anrufe vor allem dann beginnen, wenn die Sonne untergeht. Ab dem Moment, wo die Dunkelheit einbricht, bekommen wir auch wesentlich mehr Anrufe."
In einer durchschnittlichen Nacht seien es etwa 80 Anrufer und Anruferinnen. Das bedeutet: unzählige Nachtschichten für Daniel am Telefon - aber auch einmalige Momente: "Was für mich immer wieder ein besonderes Gefühl ist: Wenn ich am Anfang eines Gesprächs merke, eine Person ist sehr aufgelöst - und wenn ich dann merke, dass über unser Telefonat sich die Stimme immer weiter beruhigt. Das ist für jeden von uns immer ein ganz toller Moment."
Von einem fremden Mann in die U-Bahn verfolgt
In der Sternschanze ist Cindy Behm inzwischen in der Susannenstraße angekommen. Genau dort wurde sie vor einigen Wochen von einem Mann verfolgt, wie sie berichtet. Er sei ihr bis in die U-Bahn nachgegangen und habe ihr dort von seinem Glied erzählt. Erst als sie damit drohte, die Polizei zu rufen und sich bei einer fremden Frau unterhakte, suchte der Mann das Weite.
Erfahrungen wie diese sind es, die Behm verunsichern. Dass jetzt im öffentlichen Raum an Licht gespart wird, sieht sie deshalb kritisch: "Ich verstehe, warum das gemacht wird, absolut. Aber es hilft nicht, dass ich mich sicherer fühle, auf gar keinen Fall!"