Tschentscher hinterfragt Schul- und Kita-Schließungen
Am Dienstag wollen die Länderchefs mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über eine Verlängerung des Lockdowns beraten. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sieht bei den Themen Schule und Kita Redebedarf.
Es ist nicht mehr die Frage, ob der Corona-Lockdown verlängert wird. Die Frage ist vielmehr für wie lange. Zwei oder drei weitere Wochen im Lockdown? In diesem Punkt sind sich die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen der Länder offenbar noch nicht einig. Am Sonnabend sprachen darüber - wie üblich vor solchen Treffen im Kanzleramt - zunächst die Chefs der Staatskanzleien miteinander. Der aktuelle Lockdown gilt bis zum 10. Januar.
Tschentscher hat Schulen und Kitas im Blick
Tschentscher hält wesentliche Lockerungen noch nicht für möglich. "Der Rückgang der Zahl der Neuinfektionen reicht noch nicht aus, die Auswirkungen der Feiertage auf das Infektionsgeschehen sind noch nicht absehbar", sagte er. In einem Interview mit der Zeitung "Welt am Sonntag" forderte er, einen besonderen Blick auf die Kitas und Schulen zu richten. Der Bund, so Tschentscher, soll erklären, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage er eine weitere pauschale Schließung von Kitas und Schulen befürwortet. Außerdem will Tschentscher in Erfahrung bringen, wie der Bund sich vorstellt, dass mit der Schließung "die wesentlichen Funktionen der Grundversorgung und medizinischen Behandlungskapazitäten aufrechterhalten werden sollen".
In Hamburg jedenfalls geht man davon aus, dass auch in den letzten beiden Januarwochen kein vollwertiger Präsenzunterricht in allen Klassenstufen stattfinden kann. Das hatte Schulsenator Ties Rabe bereits zuvor gesagt.
Beratungen über längere Schließung der Schulen
Die Kultusminister wollen am Montag über das weitere Vorgehen in diesem strittigen Punkt beraten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) halten eine weitere Schließung von Schulen und Kitas für richtig. Das sei zwar für Schüler und Eltern schwierig, so Spahn. Es sei jedoch "für alle leichter, jetzt eine Woche länger die Schulen zu zu haben, als sie aufzumachen und dann irgendwann in einigen Wochen wieder vor Debatten zu stehen". Aus Söders Sicht wäre es "angesichts der hohen Infektionszahlen verantwortungslos, Lehrer und Schüler einfach wieder komplett in die Schulen zu schicken". Es habe sich gezeigt, dass sich das Coronavirus auch dort verbreite.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält es für möglich, in der zweiten Januarhälfte Kitas und Grundschulen wieder zu öffnen. Voraussetzung sei aber, dass alle anderen Klassenstufen geteilt würden und die Schüler abwechselnd Präsenz- und Digitalunterricht erhielten. Lauterbach warnte davor, alle Schulen wieder zu öffnen. Es sei erwiesen, dass Kinder ab zwölf Jahren so ansteckend seien wie Erwachsene.
Forderung: Schulen besser schützen
Der Deutsche Lehrerverband (DL) und die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) riefen dagegen gemeinsam dazu auf, längere Schulschließungen zu vermeiden und stattdessen Schulen besser zu schützen. Den Vorschlag, die Weihnachtsferien zu verlängern und dafür die Sommerferien zu verkürzen, lehnen sie ab. Das sei nur eine weitere Phase der Schulschließung, in der man Kinder und Jugendliche sich selbst überlasse und den Bildungsauftrag nicht wahrnehmen, so DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger. Präsenzunterricht sei zur Erfüllung des Bildungsauftrages und unter psychosozialen Gesichtspunkten das Beste für Kinder und Jugendliche.
Digitalisierung und Distanzunterricht vernachlässigt
Er forderte außerdem, einen bundesweit gültigen Hygienestufenplan für Schulen. Die Aussage der Kultusminister, Schulen seien von der Pandemie kaum betroffen, ließe sich nicht mehr aufrechterhalten, so Meidinger weiter. Den Schulministerien warf er vor, sie hätten sich nur auf den Präsenzunterricht konzentriert und versäumt, Schulen ausreichend auf Digitalunterricht und Distanzlernen vorzubereiten.
