Kommentar: Gewerkschaften sollten jetzt nicht überreizen
Alles wird teurer. Die steigenden Lebenskosten müssen ausgeglichen werden, meinen viele Gewerkschaften und gehen mit hohen Forderungen in Tarifverhandlungen. Dabei sollten sie aber nicht überreizen und vor allem Geringverdiener im Blick haben, meint Frauke Reinig in ihrem Kommentar.
Ob im Supermarkt, im Restaurant oder an der Tankstelle: Die steigenden Preise spüren Hamburgerinnen und Hamburger derzeit fast überall. Mehr als sieben Prozent Inflation: Das tut weh im Portemonnaie.
Es droht eine Preisspirale
Mit überzogenen Forderungen tun Gewerkschaften aber gerade niemandem einen Gefallen. Es droht eine Preisspirale, wenn die Löhne jetzt rasant steigen. Die IG Metall befragt gerade ihre Mitglieder, es zeigt sich aber schon, dass Forderungen um acht Prozent in der Metall- und Elektrobanche möglich sind. Die Hafenarbeiter hier in der Stadt wollen bei einem sowieso recht ordentlichen Einkommen 6,5 Prozent mehr. Das klingt mit Blick auf die steigenden Kosten erstmal gut. Aber: Ein voller Inflationsausgleich für alle ist nicht drin.
Fingerspitzengefühl gefragt
Das heißt nicht, dass die Gewerkschaften zurückstecken sollten. Aber bei den Forderungen ist Fingerspitzengefühl gefragt. Sieben Prozent weniger Reallohn heißt für manche, dass sie im Sommerurlaub statt nach Thailand nur nach Mallorca fahren, für andere aber, dass sie sich am Monatsende bei den Tafeln anstellen.
Mehr Mut im Einsatz für untere Gehaltsgruppen
Gewerkschaften müssen mutiger sein und ihre Forderungen noch mehr differenzieren, damit mehr Geld dort ankommt, wo es wirklich gebraucht wird. Mutig, weil Forderungen, die vor allem untere Gehaltsgruppen besser stellen, bei gutbezahlten Kolleginnen und Kollegen unbeliebt sind. Von denen ist Solidarität gefragt. Dass keiner die Zeche für die derzeitigen Krisen zahlen möchte, ist verständlich. Nur: Irgendwer muss sie zahlen, und das sollten doch bitte diejenigen sein, die es sich leisten können.
