Annika Waraich (links), Nabila Ahmed (Mitte) und Aisha Daud von der Lajna Imaillah in Hannover © NDR / Brigitte Lehnhoff Foto: Brigitte Lehnhoff
Annika Waraich (links), Nabila Ahmed (Mitte) und Aisha Daud von der Lajna Imaillah in Hannover © NDR / Brigitte Lehnhoff Foto: Brigitte Lehnhoff
Annika Waraich (links), Nabila Ahmed (Mitte) und Aisha Daud von der Lajna Imaillah in Hannover © NDR / Brigitte Lehnhoff Foto: Brigitte Lehnhoff
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Zwischen Moderne und Tradition: Frauen der Ahmadiyya-Gemeinschaft

Stand: 27.10.2023 06:00 Uhr

Die Angehörigen der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft bezeichnen sich als Reformer, betonen die starke Stellung der Frauen im Islam. Gleichzeitig werden Frauen und Männer strikt voneinander getrennt. Wie passt das zusammen?

von Brigitte Lehnhoff

DieSami-Moschee in Hannover Anfang Oktober: Viele Gäste informieren sich hier am Tag der Offenen Moschee, besuchen auch den Bereich der Frauen im ersten Stock. Dort sind im großen Gebetsraum rundherum hohe Plakate aufgestellt.

"Wir sehen hier das Plakat mit der Stellung der Frau. Die Stellung der Frau im Islam ist in vielen Versen niedergelegt und ist gleichberechtigt mit der Stellung des Mannes, was viele nicht wissen. Deswegen haben wir auch noch mal erklärt, dass der Islam tatsächlich von dieser Gleichwertigkeit der Geschlechter ausgeht und durch den Koran dies in einigen Versen verankert hat", erklärt Annika Waraich.

Frauenabteilung Lajna Imaillah bietet Bildungsangebot

Waraich ist in der Frauenabteilung der Sami-Moschee zuständig für interreligiösen Dialog. Die 30-jährige Juristin erläutert das weltweit gleiche Organisationsprinzip der weiblichen Ahmadis. Die Lajna Imaillah, die Frauenabteilung, gliedert sich in die Altersgruppe der Mädchen von sieben bis 15 und der Frauen ab 16 Jahren. Das Motto der Lajna Imaillah: Keine Nation kann Fortschritte machen, ohne ihre Frauen zu bilden. Auch in der Sami-Moschee in Hannover gibt es ein breites, durchorganisiertes Bildungsangebot. Einige Beispiele nennt Aisha Daud, 41, Lehrkraft und Vorsitzende der Frauenabteilung:

Die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft

Mirza Ghulam Ahmad, 1835 geboren in der damals zu Britisch-Indien gehörenden Region Punjab, gründete 1889 die Ahmadiyya-Muslim-Jamaat (Jamaat = Gemeinschaft). Er betrachtete sich als Nachkomme des Heiligen Propheten Muhammad mit dem Auftrag, die Lehre des Koran wiederzubeleben. Dass der Gründer sich quasi einen Prophetenstatus zusprach, akzeptieren viele Muslime nicht. Sie erkennen die Ahmadis nicht als Glaubensgemeinschaft an, verfolgen diese in manchen Regionen sogar. Die weltweit vertretene Jamaat hat in Deutschland schätzungsweise 40.000 bis 50.000 Mitglieder, davon etwa 20.000 Frauen und Mädchen.

"Da gibt es unterschiedliche Dinge wie Erziehungsmaßnahmen, wir eignen uns Wissen über den Islam an, und wir haben Sportaktivitäten. Wir haben interreligiöse Dialoge. Es gibt auch Wissenswettbewerbe oder allgemein monatliche Versammlungen für Frauen", zählt Daud die vielfältigen Aktivitäten auf.

Geschlechtertrennung: Unterdrückung oder Zeichen der Modernität?

Auch wenn Frauenbildung eine große Rolle spielt, wird der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft vorgeworfen, streng konservativ zu sein. Das zeige sich zum Beispiel an der Geschlechtertrennung. An den Gesprächspartnerinnen in der Sami-Moschee in Hannover perlt diese Kritik allerdings ab. "Wir sehen das nicht als Unterdrückung oder als sehr starken Konservatismus, sondern eher als eine Erleichterung, dass wir unter Frauen einfach wir sein können, dass wir uns locker fortbewegen können und uns freier fühlen", sagt Nabila Ahmed, 35, Islam- und Erziehungswissenschaftlerin.

Annika Waraich bekräftigt die Aussage. "Man kann sich unter Frauen viel besser entfalten, als wenn man noch Männer im Raum hat. Da sind andere Themen vorhanden, und man fühlt sich einfach auch wohler als Frau", findet sie. Und Aisha Daud wertet es als Zeichen der Modernität, durch die Geschlechtertrennung im Grunde selbstständiger zu sein: "Wir dürfen unsere Entscheidungen selber treffen. Wir dürfen alles selber machen, was wir machen wollen. Deswegen finde ich Geschlechtertrennung für uns vorteilhaft."

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Islam von Irrtümern befreien

Wo sehen die Frauen das Reformerische der Ahmadiyya-Bewegung? Zum Beispiel darin, den zeitgenössischen Islam von Irrtümern und Falschinterpretationen zu befreien. So sprechen sie etwa vom Kopftuchgebot. Würden Frauen jedoch zum Tragen gezwungen, sei das Missbrauch der Religion. Missbrauch sei auch die Entrechtung der Frauen im Namen des Koran.    

"Der Heilige Prophet sagte, wer zwei Töchter aufzieht - in einer anderen Überlieferung heißt es, wer drei Töchter gut aufzieht - der kommt ins Paradies. Dass man das denen immer wieder und immer wieder zeigt, wie wertvoll Töchter sind. Jedoch gibt es Kulturen, die immer noch eine Tochter verabscheuen. Das ist dann dieses Reformieren: Zu sagen, das hat nichts mit dem Islam zu tun. Das ist eure Kultur, die nicht in die Religion mit einfließen darf", erläutert Imam Jawad Ahmad.

Soziales Engagement als Vorbild

So weltoffen die Frauen sein mögen, sie sind auch geprägt durch ein traditionelles Familienbild, das die Mutterschaft betont. Doch Jawad Ahmad, 28 und seit drei Jahren Imam der Sami-Moschee, sieht die Frauenabteilung gerade auch wegen ihres sozialen Engagements als Vorbild.  

"Es ist nicht nur ein islamisches Problem, dass die Frauen in der Gesellschaft teilweise benachteiligt werden. Wir sehen sehr viele Probleme, mit denen Frauen konfrontiert sind, teilweise auch alleingelassen werden. Und dass unsere Frauen sich stark machen und als ein Vorbild dienen", so Imam Ahmad. Denn jede Frau, egal welcher Religion sie angehört, finde mit ihren Problemen in der Lajna Imaillah Gehör.

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NDR Kultur | Freitagsforum | 27.10.2023 | 15:20 Uhr

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