Stand: 06.07.2017 15:25 Uhr

Noktara: Muslimische Satire im Netz

"Nachrichten aus dem Morgenland - schon heute" - das bietet die muslimische Satire-Seite Noktara im Internet. Präsentiert werden tagesaktuelle Themen - mit einem Augenzwinkern und manchmal auch überspitzt und ganz schön provozierend. Denn Muslime verstehen durchaus Spaß. Auch wenn es um den Islam geht.

Von Michael Hollenbach

"Welthunger: Ramadan fällt schon wieder in die Fastenzeit"
"Integration: Imam spricht fließend Deutsch, wurde jedoch nie gefragt"
"Opferfest naht: Schafe beantragen Asyl"
"Umweltbewusst: Saudische Frauen gehen lieber zu Fuß"

Schlagzeilen jener Themen, die Soufian El Khayari und Derya Sami Saydjari in den vergangenen Monaten aufgegriffen haben. Noktara betreibt nach eigenem Bekunden muslimische Ethno-Satire und hat damit eine Nische entdeckt, stellt der 30 Jahre alte Soufian El Khayari fest, dessen Eltern aus Marokko stammen: "Konkret würde ich sagen, dass die Lücke darin besteht, dass es zwar Satire über den Islam gab, aber nicht mit dem Islam und mit den Muslimen. Und das haben wir versucht, zu verändern."

Sieben Schritte zur richtigen Distanzierung

Das Freitagsforum zum Nachhören
Tablet zeigt einen Screenshot von Noktara.de (Montage) © Fotolia.com, Noktara.de Foto: Tablet: Cristian Teichner
4 Min

Noktara: Muslimische Satire im Netz

Die Satireseite Noktara will eine Brücke bauen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. 4 Min

Die Ideen für ihre Satiren finden die beiden Marketingexperten in ihrem Alltag: "Es besteht natürlich zum Großteil aus persönlichen Erfahrungen", sagt Soufian El Khayari. "Wir versuchen auch, Probleme aufzudecken und auf schwierige Situationen hinzuweisen und die satirisch zu verarbeiten." Zum Beispiel, wenn es um die oft geforderten Distanzierungen nach islamistischen Terroranschlägen geht. So nennen die beiden auf der Satireseite Noktara sieben Schritte, die man als Muslim zur richtigen Distanzierung unbedingt befolgen sollte. Darin heißt es unter anderem:

"Ändere in den sozialen Netzwerken sofort dein Profilbild und färbe es mit der Farbe der Flagge des jeweiligen Anschlagortes ein."
"Poste ein Bild mit möglichst vielen Solidaritäts-Hashtags."
"Mutiere zum Online-Aktivisten und lege eine Facebook-Veranstaltung für den nächsten Tag an."

"Das Problem bei diesem Thema ist, dass, wenn es eine Forderung dazu gibt, dass man sich distanzieren soll von etwas, zugleich eine Unterstellung damit transportiert wird", gibt Soufian El Khayari zu bedenken. "Man legt dabei nahe: Du bist quasi Terrorist, solange du dich nicht distanziert hast. Aber davon sollte man nicht ausgehen. Denn es ist selbstverständlich, dass man gegen Terrorismus ist."

Über Noktara

Die muslimische Satireseite Noktara ist nicht nur im Internet zu finden. Sie wird auch auf Facebook und Twitter präsentiert. Manche bezeichnen sie auch - in Anlehnung an die Satire-Website "Der Postillion" - als "Muslimischen Postillion".

Soufian El Khayari und Derya Sami Saydjari wollen mit Noktara eine Brücke bauen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Allerdings wissen sie auch, dass manche Gags nur zu verstehen sind, wenn man sich mit dem Islam gut auskennt: "Man braucht erst einmal Fachwissen", sagt Soufian El Khayari. "Ich möchte nicht überheblich klingen, aber ich bezweifle, dass jemand, der nicht Muslim ist, mit dieser Tiefe in diese Themen reinschauen kann und auch nicht die Erfahrungen mitbringen kann, die man braucht."

Keine Witze über Mohammed und den Koran

Tabus würden sie nicht kennen, sagen Soufian El Khayari und Derya Sami Saydjari, der türkische und syrische Wurzeln hat. Nur über Mohammed und den Koran machen sie keine Witze: "Die meiste Angriffsfläche findet sich nicht beim Propheten oder im Koran, sondern dabei, was die Menschen daraus machen, wie sie danach handeln. Der Unterschied ist: ob man sich über Religionen lustig macht oder über die Anhänger oder die vermeintlichen Anhänger der Religionen."

So nimmt Noktara auch islamistische Terroristen aufs Korn: "Wir können ohne Probleme Satire über den IS machen, aber wir kämen nicht auf die Idee, Satire über verfolgte Christen oder Jesiden zu machen. Oder man macht einen Witz über Nazis, aber nicht über die Opfer vom Holocaust."

Angst vor gewalttätigen Reaktionen hat Chefredakteur Soufian El Khayari nicht: "Weil erfahrungsgemäß sind die meisten Leute nur laut und pöbeln rum und beleidigen, aber lassen ihren Worten selten etwas folgen."

Satire oder Meinungsäußerung?

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Datteltäter © Datteltäter

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Noktara ist oft witzig, manchmal auch bissig, aber die beiden Macher schwimmen doch im muslimischen Mainstream. So verlieren sie offenbar gänzlich ihren Humor und ihre Gelassenheit, wenn es um die neue liberale Moschee von Seyran Ateş geht. Frauen und Männer könnten - so Noktara - nicht gemeinsam beten. Auf der Satireseite kann man dazu lesen:

"Das ist kein männlicher Chauvinismus, sondern eine Frage des Anstands. (...) In liberalen Moscheen mischt man Männer und Frauen bunt nebeneinander und kennt kein Schamgefühl. (...) Letztlich kann man eine liberale Moschee auch daran erkennen, dass dort kein anständiger Muslim zum Beten hingehen wird."

Es bleibt unklar, ob das nun Satire oder eine Meinungsäußerung ist. Auch auf Nachfrage hin möchte sich der Chefredakteur nicht eindeutig positionieren. Satire sei kein Ponyhof, so Soufian El Khayari. Allerdings: Die Morddrohungen von islamischen Hardlinern gegen Frau Ateş seien ein absolutes No-Go und eine Katastrophe, betont der Satiriker.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 07.07.2017 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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