Niedersächsische Muslime wollen unabhängigen Islamverband gründen
Eine gute Zusammenarbeit zwischen Muslimen und dem deutschen Staat ist wichtiger denn je. Die Diskussionen jedoch um die muslimischen Verbände, vor allem um DITIB, reißen nicht ab. Auch in Niedersachsen. Ein Kritikpunkt: die politische und finanzielle Abhängigkeit vom Ausland. Avni Altiner, der ehemalige Vorsitzende des Islamverbandes SCHURA Niedersachsen, will morgen mit anderen Muslimen einen autonomen Moscheeverband gründen. Ita Niehaus sprach darüber mit Rauf Ceylan, Religionspädagoge und Soziologe am Osnabrücker Institut für Islamische Theologie.
Ein neuer, unabhängiger Islamverband für Niedersachsen - für Rauf Ceylan vom Osnabrücker Institut für Islamische Theologie ist das eine gute Nachricht. "Zum einen weil das erst einmal für Vielfalt steht. Das ist im Grunde genommen nur eine Widerspiegelung der Entwicklung. Wir haben hier mittlerweile Gemeinden, die sich viel stärker heimisch fühlen, die eine strukturelle Integration des Islams anstreben und deshalb begrüße ich das."
Zudem sei dieser Verband ethnisch sehr heterogen, betont Ceylan. Denn er richtet sich, anders als die meisten Islamverbände, nicht an eine bestimmte Gruppe Gläubiger. Er soll allen Muslimen und Moscheegemeinden offenstehen.
"Gründer sind verlässliche Kooperationspartner"
Ein weiteres wichtiges Argument sind für Ceylan die Personen, die hinter der Gründung stehen. Musliminnen und Muslime, die in der Vergangenheit bereits viele Erfolge bei der Integration und der Verbandsarbeit aufgewiesen hätten, zum Beispiel bei den Vorbereitungen zum islamischen Religionsunterricht in NIedersachsen. Besonders Avni Altiner sei in der Politk und in den Religionsgemeinschaften bekannt, sagt Ceylan. Er und seine Mitstreiter seien zum einen verlässliche Kooperationspartner in Niedersachsen, zum anderen sicherlich auch Menschen, die anstrebten, den Verband auch juristisch als Religionsgemeinschaft durchzusetzen. Insofern müsse man auch diesem Verband eine Chance geben, so Ceylan.
"Der neue Verband wird für Dynamik sorgen"
Avni Altiner genießt bei vielen Landespolitikern hohes Ansehen. Bis Ende 2016 war er Vorsitzender der SCHURA, des Landesverbands der Muslime in Niedersachsen. Sein Nachfolger in diesem Amt, Recep Bilgen steht der Neugründung skeptisch gegenüber. Er wirft Altiner vor, die muslimische Community zu spalten. Eine Kritik, die Ceylan in Teilen nachvollziehen kann: "Das ist für die Schura sicherlich ein Verlust, wenn mehrere Gemeinden und natürlich ein starker Player wie Herr Altiner austreten", meint er. Insgesamt werde dies aber auch für eine Dynamik sorgen: "Ich möchte nur erinnern an eine Pressemitteilung der SCHURA, die ja noch mal für Offenheit geworben hat, die auch für Sozialarbeit innerhalb des Verbandes plädiert hat. Das sind ja alles bereits jetzt schon Dynamiken, die freigesetzt werden allein durch die Ankündigung, dass ein Verband aufgebaut wird."
Und weitere Dynamiken könnten folgen, hofft Ceylan. Auch in Feldern, in denen der Dialog zwischen den Muslimen und der Politik festgefahren zu sein scheint: "Das fängt an bei der Frage der Unabhängigkeit vom Ausland. Wir haben hier Moscheegemeinden, die sich tatsächlich selber finanzieren, bzw kaum Auslandskontakt haben. Desweiteren gibt es die Frage der Seelsorge, der muslimischen Wohlfahrt, also alles Baustellen, die wir seit Jahren diskutieren, aber nicht vorankommen. Insofern drücke ich natürlich diesem neuen Verband ganz fest die Daumen."