Stand: 11.10.2019 15:15 Uhr

Erinnerungen an Pakistans Nobelpreisträger

von Hasanat Ahmad

In dieser Woche wurden sie vergeben, die Nobelpreise. In den Naturwissenschaften gab es dabei ein bekanntes Bild: Fast immer werden europäische oder amerikanische Forscherinnen und Forscher ausgezeichnet. Im Jahr 1979 ging der Nobelpreis für Physik jedoch nach Pakistan - und damit erstmals an einen muslimischen Wissenschaftler: An Abdus Salam. Hasanat Ahmad, selbst Physiker und Vorstandsmitglied der Ahmadiyya Gemeinde in Deutschland, erinnert an ihn.

Abdus Salam © imago images / ZUMA/Keystone
Abdus Salam war der erste pakistanische Nobelpreisträger.

Bei den alten Griechen konnte man die Welt noch ganz einfach erklären: Es gab die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde. Und alles, was existierte, bestand einfach aus diesen vier Grundelementen. Heute ist das Weltbild zwar nicht mehr ganz so simpel, aber immerhin sind die Physiker der Zahl vier treu geblieben: Sie sprechen nämlich im sogenannten Standardmodell der Teilchenphysik von den vier fundamentalen Kräften. Die vier Grundkräfte der Physik sollen demnach für alles verantwortlich sein, was im Universum passiert.

Na gut, das mit den vier Kräften ist dann doch nicht der Weisheit letzter Schluss: Denn Physiker gehen fieberhaft der Frage nach, ob es am Anfang des Universums vielleicht eine einzige Urkraft gab, aus der die vier Kräfte entstanden sind.

Die moderne Physik ist heute auf der Suche nach der großen Vereinheitlichung, nach der Weltformel. Ein Pionier auf diesem Feld und einer der Mitbegründer des heutigen Standardmodells war der pakistanische Physiker Abdus Salam.

Erster muslimischer Nobelpreisträger für Physik

Vor ein paar Monaten war ich in Pakistan und stand vor dem schlichten weißen Grabstein von Professor Salam. Der Grabstein erzählt die stolze und gleichzeitig traurige Geschichte, die mit seinem Namen verbunden ist. Darauf ist in englischer Sprache zu lesen, dass er der erste muslimische Wissenschaftler war, der mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Doch das Wort Muslim hat jemand mit weißer Farbe überschrieben. Das Gesetz in Pakistan will es so.

Abdus Salam darf in seinem Heimatland nicht als Muslim bezeichnet werden, denn er gehörte der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya Muslim Jamaat an. Diese islamische Bewegung wurde im 19. Jahrhundert von Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad gegründet. Im Jahre 1974 erklärte das pakistanische Parlament unter dem Einfluss fundamentalistischer Kräfte die Mitglieder der Gemeinde zu Nicht-Muslimen. Hass, Verfolgung und Ausgrenzung waren die Folge.

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Von ganz unten nach ganz oben

Hier, in der kleinen Stadt Rabwah in seiner geliebten Heimat Pakistan, fand Salam 1996 seine letzte Ruhe. Er war einer, der er es von ganz unten nach ganz oben geschafft hatte. Abdus Salam stammte aus einem entlegenen Dorf im tiefen Punjab, in welchem er nicht einmal das elektrische Licht einer Lampe zu sehen bekam. Als sein Lehrer in der Mittelstufe den Schülern die Kräfte der Natur erklärte, begann er mit der Schwerkraft, die man ja aus dem Alltag kannte. Er ging weiter zur Elektrizität und erzählte seinen Schülern, dass diese Kraft in ihrem Dorf leider nicht wohnte, sondern in der großen Stadt Lahore, etwa 100 Meilen entfernt. Und was die Kernkraft anging - naja, die gebe es nur in Europa.

Angetrieben von den großen Träumen seiner Eltern und seiner außerordentlichen Begabung führte Salams Weg schließlich nach Cambridge ins Vereinigte Königreich, ein Schritt, der dem heimatverbundenen Salam außerordentlich schwer fiel.

Abdus Salam untersuchte die Beschaffenheit des Universums in seiner grundlegendsten Form und zeigte in seiner Theorie, dass zwei der vier Kräfte aus einer gemeinsamen Kraft abgeleitet werden können. Diese Theorie ist bekannt unter dem Namen elektroschwache Wechselwirkung.

Salams bahnbrechende Arbeit

Für seine bahnbrechende Arbeit erhielt er im Jahre 1979 zusammen mit Stephen Weinberg und Sheldon Lee Glashow den Nobelpreis für Physik. Mit der Auszeichnung wurde seine weitreichende Arbeit auf dem Weg zur großen Vereinheitlichung gewürdigt, nachdem seine Theorie experimentell bestätigt worden war.

Die Sendung zum Nachhören
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Erinnerung an Abdus Salam

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Abdus Salam bezeichnete den Koran als Inspiration für seine Arbeit. Er setzte sich energisch für die Förderung der Wissenschaft in seiner Heimat und der gesamten Dritten Welt ein.

In seiner Heimat hat man Abdus Salam vergessen. Man hat versucht, seine Identität aus seinem Grabstein auszuradieren. Doch sein Name ist aus den Lehrbüchern der modernen Physik nicht mehr wegzudenken.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 11.10.2019 | 15:20 Uhr

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