Eine Frage von Leben und Tod
Die algerische Theaterautorin Rayhana im Gespräch
In ihrem Drama "In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich" bringt die algerische Autorin Rayhana neun Frauen zusammen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Islamistin, Atheistin, Studentin, Hausfrau, Single, achtfache Mutter. Sie tratschen und schimpfen über geliebte und gehasste Ehemänner, über Sex, Religion, Fanatismus, über ihre Träume und Schicksale zwischen Anpassung und Rebellion. Und das, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Rayhana hätte dafür fast mit ihrem Leben bezahlt. NDR Kultur hat sie zum Gespräch getroffen.
In Ihrem Drama "In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich" treffen neun sehr unterschiedliche, schlagfertige Frauen aufeinander...
Rayhana: ...neun Frauen und ein Mann! - Aber den sehen wir während des gesamten Stücks nicht einmal auf der Bühne, den Armen (lacht herzlich).
Mit Ihren Figuren zeichnen Sie ein sehr lebendiges, vielschichtiges Bild davon, was es bedeuten kann, als Frau in Algerien zu leben. Die eine ist geschieden, die andere verheiratet, aber mit heimlichem Liebhaber. Wieder eine andere findet keinen Mann, weil sie zu dünn ist. Von wem sind die Figuren inspiriert?
Rayhana: Von Frauen aus meinem Umfeld, Nachbarn oder Freundinnen und anderen, die ich kennengelernt habe. Aber auch von Frauen, die ich selbst nicht getroffen, von denen ich vielleicht nur gehört oder gelesen habe und die mich beeindruckt oder berührt haben.
Ihr Stück spielt in einem Hammam, einer öffentlichen Badeanstalt. Warum dort?
Rayhana: Das Hammam ist ein geschützter Raum. Man kann das vielleicht vergleichen mit einem Friseursalon, wo sich nur Frauen treffen und reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Im Hammam konnte ich Frauen jeden Alters und jeder gesellschaftlichen Schicht zusammenbringen. Sie können offen über alles reden, sagen, was sie wollen, ohne, dass die Männer sie hören. Voilá! Es ist der perfekte Ort, weil sie dort nicht nur ihren Körper reinigen können, sondern auch ihren Geist.
Vor allem die Rolle der Fatima, achtfache Mutter und Chef-Masseurin des Hammams, ist sehr direkt in dem, was sie sagt und auch wie sie es sagt.
Rayhana: Ja! Ich wollte, dass Fatima eine rohe Ausdrucksweise hat. Eine, die sagt: "Eine Hure ist eine Hure und ein Arschloch ist eben ein Arschloch." Sie spricht genau so, wie die Männer sprechen, wenn sie uns Frauen beleidigen, uns verletzen wollen. Fatima dreht den Spieß um, sagt: "Das kann ich auch. Ich muss mich nicht verstecken." Ich verwende im Stück die Sprache der Männer, um sie zu beleidigen, sie in ihre Schranken zu weisen.
Das Stück trägt den Titel "In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich". Sie rauchen selbst gern. Welche Erfahrungen verstecken sich hinter dem Titel?
Rayhana: In Algerien gilt eine Frau, die raucht, als Hure. Eine Frau darf nicht rauchen. Bis heute rauche ich, wenn ich in Algerien bin, nur heimlich. Mit dem Titel wollte ich die Absurdität dieser Situation unterstreichen. Ich meine, selbst für so etwas Unbedeutendes wie eine Zigarette wurden und werden Frauen beleidigt, sogar geschlagen, nur weil sie rauchen.
- Teil 1: Die algerische Theaterautorin Rayhana im Gespräch
- Teil 2: Das "schwarze Jahrzehnt"