Stand: 10.01.2020 14:24 Uhr

DITIB-Ausbildungszentrum für Imame eröffnet

von Jan Ehlert

Wegen ihrer Nähe zum türkischen Staat steht der größte muslimische Dachverband in Deutschland, die DITIB, seit längerem in der Kritik. Die deutsche Politik fordert von ihr eine größere Distanz zu Ankara. Denn bislang bildet die dort ansässige Religionsbehörde Diyanet die Imame, die in Deutschland arbeiten, in der Türkei aus. Nun wurde das erste DITIB-Ausbildungszentrum für Imame in Deutschland eröffnet.

Das DITIB-Ausbildungszentrum für Imame in Dahlem © picture alliance/dpa Foto: Roberto Pfeil
Im neuen Ausbildungszentrum der DITIB in Dahlem werden an 18 Wochen im Jahr islamische Religionsbeauftragte ausgebildet.

In einer umgebauten ehemaligen Jugendherberge in Dahlem in der Eifel sollen die neuen Imame und Religionsberater künftig ausgebildet werden. Das Programm ist auf zwei Jahre ausgelegt. Und die ersten Teilnehmer stehen bereits fest, sagt Seyda Can, Leiterin der neuen Akademie des muslimischen Dachverbandes DITIB: "Das Ausbildungsprogramm ist für Deutschland konzipiert. Die 22 Teilnehmer sind Absolventen der islamischen Theologien, mindestens mit einem Bachelor-Abschluss. Sie sind in Deutschland geboren und aufgewachsen und haben hier entweder ihr Abitur abgeschlossen oder ihren Universitätsabschluss erlangt. Wir haben zwölf weibliche und zehn männliche Teilnehmer."

Die Frauen werden als Religionsberaterinnen ausgebildet. Imame können nur Männer werden. Einer von ihnen ist Baris Ilyas Kilic. Welchen Vorteil er gegenüber den bisherigen Imamen für sich sieht? "Die Frage ist leicht zu beantworten: Ganz einfach die Sprache, weil wir hier geboren sind", sagt Kilic. "Wir sind hier zur Schule gegangen, haben das gesehen, was die Jugendlichen heutzutage sehen und miterleben, und wir kennen auch die Kultur. Wir hatten deutsche Freunde - das ist bei den älteren Imamen, die aus der Türkei kommen, nicht der Fall."

"Das ist ein Wendepunkt"

Imame, die stärker in der deutschen Kultur verwurzelt sind - und diese Erfahrungen an die Gemeinden weitergeben können. Das war auch eine der Forderungen, die das deutsche Innenministerium auf der Islamkonferenz an die DITIB gestellt hatte. Denn der Dachverband ist eng mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet verflochten, die ihren Sitz in Ankara hat. Bisher wurden die meisten Imame, die in Deutschland predigen, dort, in der Türkei, ausgebildet.

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Markus Kerber, Staatsminister im Innenministerium, der zu der Eröffnung gekommen war, sieht daher in dem neuen Ausbildungszentrum auch einen Schritt zu einer besseren Integration: "Das ist ein Wendepunkt. Je mehr man mit den jüngeren Generationen spricht, desto mehr wollen die einen selbstbewussten, einen deutschen, natürlich auf der Türkei beruhenden Islam, der aber hier beheimatet ist, mit deutscher Sprache, mit deutschen Organisationsstrukturen. Dieser organisatorische Abnabelungsprozess, das kennen wir auch von anderen Religionsgemeeinschaften, der ist nicht ganz so einfach, und der wird auch dauern. Aber das war heute sicherlich ein erster vertrauensbildender Schritt."

Ungewisse Finanzierung

18 Wochen werden die Auszubildenden in Dahlem sein - die restliche Zeit ist dem Selbststudium und Praktika in den Gemeinden gewidmet. Auch in Norddeutschland könnten sie Erfahrungen sammeln. In Niedersachsen freut man sich schon auf die Imamanwärter, sagt der Stadthäger Ali Ihsan Ünlü, Vorsitzender des DITIB-Landesverbandes: "Es wäre eine Bereicherung für uns, hier Imame einzusetzen, die die Theologische Ausbildung haben und jetzt eine Ausbildung als Imam absolvieren. Das ist etwas, was wir schon lange erwartet und uns gewünscht haben. Das Problem ist nur, wie wir die bezahlen können."

Denn wenn die türkische Behörde Diyanet die Finanzierung der Imame nicht mehr übernimmt, müssen die Gemeinden selbst für das Gehalt aufkommen - ein Kraftakt, den viele nicht leisten können, sagt auch Seyda Can, die Leiterin der neuen Akademie in Dahlem. Die neuen Imame würden also in Deutschland ausgebildet, die Gehälter aber weiterhin von der Diyanet übernommen - und damit vom türkischen Staat.

Ein Imam in einer Moschee © picture alliance / dpa
AUDIO: DITIB-Ausbildungszentrum für Imame eröffnet (4 Min)

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 10.01.2020 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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