Daniel Cohn-Bendits Suche nach seiner jüdischen Identität
Was bedeutet es, Jude zu sein, fragt sich Daniel Cohn-Bendit in dem Dokumentarfilm "Wir sind alle deutsche Juden". Er bricht auf nach Israel und beginnt eine persönliche Suche nach seinem eigenen Judentum. Die Doku ist in der Mediathek zu sehen.
"Maman, durch dich bin ich Jude. Dir habe ich den ganzen Schlamassel zu verdanken", so beginnt die Dokumentation mit Daniel Cohn-Bendit. Der 75-Jährige - eine der schillerndsten Figuren europäischer Politik - sucht seine jüdischen Wurzeln. "Wie kann ich mich jüdisch fühlen, ohne im Geringsten jüdisch zu leben?", fragt er sich.
Aufgewachsen in Frankreich
Cohn-Bendit wuchs nach der Flucht seiner Eltern vor den Nationalsozialisten in Frankreich auf. Das Judentum spielte in der Familie eine untergeordnete Rolle. Die Wirren des Krieges, die persönlichen Krisen und die politische Ausrichtung standen im Vordergrund. "Nach der Landung der Alliierten in der Normandie nutzten meine Eltern ihre wiedergefundene Lebensfreude, um ein zweites Kind zu zeugen. Ein Symbol ihrer neuen Hoffnung", erzählt Cohn-Bendit über seine Zeugung in der Dokumentation.
Mit 17 wurde Cohn-Bendit Vollwaise
Cohn-Bendit hat eine bewegte Karriere hinter sich: Mai-Unruhen der Pariser Studentenbewegung, Ausweisung aus Frankreich, Frankfurter Häuserkampf, Einstieg bei den Grünen, Europapolitiker - um nur einige Schlaglichter zu nennen. Nun - mit dem wilden Blick in die Vergangenheit - soll eine Spurensuche biografische Motive herausschälen. "Mit 17 wurde ich Vollwaise. Mein Bruder und seine Frau nahmen mich in ihrer Familie auf. Ich verdanke ihm vieles", erzählt Cohn-Bendit und sagt an seinen älteren Bruder Gabi gewandt: "Aber an diesem Punkt, Gabi, bin ich nicht einverstanden: Wir sind Juden, auch wenn ich nicht genau erklären kann, was es für mich bedeutet."
Intensive Reise nach den Ursprüngen seiner jüdischen Identität
Es wirkt, als habe Cohn-Bendit schon sehr lange die Ursprünge seiner jüdischen Identität herausfinden wollen. So intensiv ist diese Reise geworden. Gemeinsam mit seinem Stiefsohn Nico Apel, der auch Regie führte, bereiste er Israel, Diaspora und Land der Hoffnung zugleich für die Juden der Welt. "Die Vielzahl der unterschiedlichen Identitäten, die sich in Israel wiederfinden, überraschen mich immer wieder", so Cohn-Bendit. "Für mich ist das ein Wunder jüdischer Fantasie, gekleidet in biblische Interpretation."
Überraschende und sehr gegensätzliche Begegnungen
Die Begegnungen verlaufen zumeist überraschend und sehr gegensätzlich. So trifft er zionistische Siedler ebenso wie nicht jüdische Kinder, die als Geflüchtete im Land der Geflüchteten kaum anerkannt sind. "Wie geht es denjenigen, die nach Israel geflohen sind, aber keine Juden sehen?", fragt der 75-Jährige. "Wenn es um Geflüchtete geht, ist die israelische Gesellschaft leider keine Ausnahme. Die Solidarität geht von einer Minderheit aus, es überwiegend Gleichgültigkeit, Skepsis und Ausgrenzung."
Teile der Identitätssuche fügen sich wie ein Puzzle zusammen
Wie ein Puzzle fügen sich die Teile der Identitätssuche zusammen. Frühere Freunde weichen Fragen aus, Fremde bieten Antworten. Das ist ein durchaus interessanter Ansatz, den natürlich nicht jeder von uns umsetzen kann. Doch auch für Menschen, die nicht diese schillernde Vergangenheit eines Cohn-Bendit oder jüdische Wurzeln haben, ist diese abwägende und ruhige Reise eine kluge Blaupause, dem Ursprung seines eigenen Handelns, seiner Haltung und seiner Entscheidung auf den Grund zu gehen.
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