Alan Gilbert schickt Energiestöße vom Pult der Elbphilharmonie
Am Mittwoch feierte das NDR Elbphilharmonie Orchester Saisoneröffnung - mit Chefdirigent Alan Gilbert am Pult, dem Star-Cellisten Yo-Yo Ma und einem amerikanisch gefärbten Programm.
Eine Saisoneröffnung mit großem Orchester, mit Publikum im Saal und Stargast aus den USA: Vor einem halben Jahr wäre das kaum denkbar gewesen. Doch es hat funktioniert. Und wie!
Ein gut gelaunter Ellenbogen-Stupser mit dem Konzertmeister zur Begrüßung, ein fröhlicher Wink ins Publikum mit der Botschaft: Schön, dass Ihr wieder da seid. Schon beim Auftritt demonstrierte Alan Gilbert gestern Abend seine Lust auf den Saisonstart. Und die spiegelte sich auch in der Musik, bei den Sinfonischen Tänzen aus Leonard Bernsteins "West Side Story".
NDR Elbphilharmonie Orchester: Spaß am Groove und an der Präzision
Den rechten Fuß etwas vorgeschoben, immer bereit zum Mitwippen, schickte der Dirigent seine Energiestöße vom Pult. Die nahmen seine Musikerinnen und Musiker gerne auf. Mit Spaß am Groove und an der Präzision formte das NDR Elbphilharmonie Orchester die jazzigen Tanzrhythmen und modellierte die Charaktere der Musik. Den sanften Swing im Cha-Cha oder die muskulöse Kraft im Mambo, in dem Alan Gilbert die Schlagwerker des Orchesters von der Kette ließ.
Da waren auch die rauen Momente der Musik zu spüren. Bernsteins Klassiker ist eben weit mehr als nette Unterhaltung, wie Alan Gilbert betont: "Manchmal denken die Leute, es ist Jazz, also nicht so ernst zu nehmen, aber es ist super High-Level-Musik, wahrscheinlich das beste Stück, das er geschrieben hat."
Die Sinfonischen Tänze aus der "West-Side-Story" waren der Auftakt zu einem Programm, das über den großen Teich in die USA blickte und in der "Neuen Welt" ganz unterschiedliche Facetten entdeckte. Auch im selten aufgeführten Cellokonzert von Samuel Barber, entstanden 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Hier komponiert Barber, der sonst das Schwelgen liebte, viele Brüche und Konflikte in die Musik, das erinnert teilweise an Schostakowitsch.
Starcellist Yo-Yo Ma spielt Gershwins "Summertime"
Mit seinen wilden Doppelgriffpassagen ist der Solopart eine Herausforderung für jeden Solisten. Starcellist Yo-Yo Ma sprang mit seinen Händen und Fingern virtuos über die Saiten und spielte als Zugabe noch ein Arrangement von Gershwins "Summertime" mit der Cellogruppe des NDR Elbphilharmonie Orchesters.
Schon zur Pause gab es spürbare Begeisterung im Publikum, das im Schachbrettmuster jetzt immerhin wieder rund 1.300 Plätze in der Elbphilharmonie füllen darf. "Es ist großartig, wieder Live-Musik in einem Konzertsaal zu hören. Und es ist ein kulturelles, aber auch ein soziales Erlebnis. Das Miteinander macht ja das Besondere eines solchen Abends aus. Das sind diese magischen Momente, die man nur im Konzertsaal hat", so NDR Intendant Joachim Knuth.
Diese Momente fanden sich auch im zweiten Teil nach der Pause in der Uraufführung des Stücks "Time flies" von Mark-Anthony Turnage - und im letzten Stück des Programms, George Gershwins "Ein Amerikaner in Paris". Auch an dieser Stelle kosteten Alan Gilbert und das NDR Elbphilharmonie Orchester die Rhythmen und Pointen der Musik lustvoll aus und wurden am Ende minutenlang gefeiert.
