Eine junge Frau steht mit einem Kapuzenpulli vor einem weißen Hintergrund. Um sie herum fliegen rote, runde Luftballons, zu denen sie hinaufschaut. © Olaf Struck Foto: Olaf Struck

Premiere am Schauspielhaus Kiel: "Maria"

Stand: 05.05.2022 07:30 Uhr

Am Freitag ist Premiere im Kieler Schauspielhaus. Das neuste Stück des britischen Gegenwartsdramatikers Simon Stephens "Maria" dreht sich auch um Maria. Eine junge Frau, geboren 2000 und nun, gerade mal volljährig, schwanger.

von Andrea Ring

Dutzende durchsichtige Luftballons hängen über der Szene auf der Bühne des Kieler Schauspielhauses: Immer wieder greift Maria oder eine andere Figur spielerisch einen davon. Ein poetisches Bühnenbild für ein Stück, dessen Realität in einer englischen Hafenstadt nicht gerade traumhaft ist. Die Mutter verunglückt, der Vater hilflos, der Bruder ist abgehauen und Maria ist schwanger mit einem kleinen Mädchen mit gerade mal 18 Jahren - von wem auch immer. Doch ein problemlastiges Drama ist es nicht. Dramaturgin Kerstin Daiber dazu: "Das Verrückte an dieser Maria-Figur ist, dass sie unglaublich hoffnungsfroh ist, obwohl sie gesellschaftlich ein bisschen ausgestoßen und allein ist. Das ist auch das Verwirrende, weil man immer denkt, angesichts all der Katastrophen, die um dich herum sind, und jetzt bist du auch noch 18 und schwanger, wie kannst du die Hoffnung nicht verlieren?"

Mit Maria blicken wir durch die Augen der Millenials

Mit Ria, wie sie genannt wird, blicken wir durch die Augen der Millenials auf die Welt von heute, sagt Kerstin Daiber. "Was sind überhaupt die Werte, die wir teilen? Hat diese Welt überhaupt noch eine Hoffnung? Wo stehen denn diese jungen Menschen, woran kann man heutzutage noch glauben?" Die Antwort liegt bei den Theaterstücken von Simon Stephens oft im beredten Schweigen, sagt Dramaturgin Daiber: "Die Hauptfigur Maria plappert immerzu. Aber was sie eigentlich sagen möchte, liegt genau in den Pausen, wenn sie eben nicht erzählt." Das ist das Tolle am Stück, meint Regisseurin Mona Kraushaar. Und genau das ist auch nicht leicht auf die Bühne zu bringen: "Was da im Raum stehen bleibt, unbeantwortet, und was da nachhallt - das war die größte Herausforderung, dass da zwischen den Zeilen erzählt wird."

Generation Digital: Es wird viel gechattet

Viel Raum nimmt, nach der Geburt des Kindes im ersten Akt, der neue Job im zweiten ein. Maria macht das Plappern zum Beruf. In ihrem Chatroom spricht sie mit diversen schrägen Gestalten, lang und länger über Sinn und Unsinn des Lebens. Ein Ausweg aus der Einsamkeit, findet Mona Kraushaar: "Man kann aber gar nicht mehr auseinanderhalten, was noch real und echt ist und was ist nur Fantasie und Vorstellung." Was für die Generation Digital vielleicht gar kein Problem ist. Maria erzählt ihrem wieder aufgetauchten Bruder von einer Dokumentation:

"Da wurde gesagt, die Wahrscheinlichkeit liegt höher, dass wir alle in diesem Moment in einer Computersimulation sind, als dass wir ein echtes wahres Leben führen. Also statistisch gesehen, ist das wahrscheinlicher." "Das ist Schwachsinn." "Ist es nicht." Maria und ihr Bruder in dem Stück "Maria"

Bilder von Chatpartnern erscheinen auf Luftballons

Während Ria in die Kamera spricht, wird ihr Gesicht im Großformat auf einen durchsichtigen Vorhang projiziert. Ihre Chatpartner hinter dem Vorhang erscheinen, wie man es vom Bildschirm kennt, kreisrund verzerrt in klein auf einem großen Luftballon, der unter den übrigen tiefer hängt. Sie fantasiert von einer App, die den idealen Partner per Algorithmus findet.

"Und dann muss man nie mehr peinlich berührt sein. Oder Angst haben oder Enttäuschung spüren oder spüren, was es heißt, Mensch zu sein. Weil wir sind enttäuschend. Findest du nicht, wir lassen einander im Stich. Ich habe das einfach satt." Maria in dem Stück "Maria"

Maria ist optimistisch, trotz hoffnungsloser Lage

Weder Vater, noch Oma, noch irgendeine Freundin, die sie nicht hat, wollten Maria bei der Geburt ihres Kindes begleiten. Wie Kerstin Daiber skizziert, eigentlich eine eher hoffnungslose Lage: "Aber grundsätzlich ist sie ein sehr positiver Mensch und auch jemand, den man in den Arm nehmen möchte und dem man eigentlich sagen möchte: 'Ich bin da.'" Was auch daran liegt, dass Nina Vieten die Maria mit einer angenehmen Natürlichkeit spielt: "Das ist eine innerlich sehr aufgerichtete, starke junge Frau, die immer wieder Verletzungen oder auch Einsamkeit spürt, aber es schafft, diese Einsamkeit nicht zu tief gehen zu lassen, sondern ganz neugierig bei den Menschen bleibt und sehr offen auf die Welt zugeht." Sonderlicher Tiefgang ist da nicht angelegt. Die großen Fragen schweben im Raum wie die zahllosen durchsichtigen Ballons über ihr.

 

Premiere am Schauspielhaus Kiel: "Maria"

Das Stück "Maria" von Simon Stephens dreht sich um die junge Maria. Sie ist 18 Jahre alt, schwanger und weiß nicht von wem.

Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
Theater Kiel
Holtenauer Straße 103
24105  Kiel
Telefon:
(0431) 901 901
Kartenverkauf:
Theaterkasse im Schauspielhaus
Holtenauer Straße 103
24105 Kiel
In meinen Kalender eintragen

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Moin! Schleswig-Holstein – Von Binnenland und Waterkant | 04.05.2022 | 19:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Cover des Albums "The Tortured Poets Department" von Taylor Swift © Universal/Universal/dpa

Neues Album von Taylor Swift: Alle Aspekte des Herzschmerzes

"The Tortured Poets Department" heißt das neue Doppel-Album mit 31 Songs der Pop-Ikone Taylor Swift. mehr