Nach Attacke mit Hundekot: Hausverbot für Ballettchef Goecke

Stand: 14.02.2023 09:37 Uhr

Der Eklat bei einer Premiere am Samstag in der Staatsoper Hannover hat Folgen für Ballettchef Marco Goecke. Er wurde wegen der Attacke mit Hundekot auf Kritikerin Wiebke Hüster suspendiert und hat nun Hausverbot.

Marco Goecke © Screenshot
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Marco Goecke habe durch seine impulsive Reaktion gegenüber der Journalistin gegen alle Verhaltensgrundsätze der Staatsoper Hannover verstoßen, teilte die Theaterleitung am Montagnachmittag mit. Er habe damit das Publikum, die Mitarbeitenden des Hauses und die allgemeine Öffentlichkeit "auf das Extremste" verunsichert und der Staatsoper und dem Staatsballett Hannover "massiv geschadet". Suspendierung und Hausverbot sollen vor weiterem Schaden schützen. Goecke habe in den nächsten Tagen Gelegenheit, "sich umfassend zu entschuldigen und der Theaterleitung gegenüber zu erklären, bevor weitere Schritte eingeleitet werden."

Goecke warf Kritikerin Hüster "so persönliche Kritiken" vor

Der Vorfall zwischen dem 50 Jahre alten Ballettdirektor und der Journalistin Wiebke Hüster hatte sich am Samstagabend während der ersten Pause im Foyer ereignet, wie die Staatsoper auf ihrer Internetseite mitteilte. Goecke habe ihr vorgeworfen, "dass sie immer so persönliche Kritiken schreibe", schilderte die Mitarbeiterin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) der Deutschen Presse-Agentur. Danach habe Goecke - der seinen Hund bei sich gehabt habe - eine Tüte aus der Tasche gezogen und ihr den Kot mit der offenen Seite ins Gesicht gerieben, sagte Hüster weiter. "Als ich gespürt habe, was er gemacht hat, habe ich geschrien." Nachdem ihr die Pressesprecherin des Theaters geholfen habe, sich im Waschraum der Intendanz zu säubern, sei sie zur Polizei gefahren und habe Anzeige erstattet, so Hüster. Eine Polizeisprecherin sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Polizei ermittele wegen Beleidigung und Körperverletzung. Jetzt würden zunächst Zeugen vernommen. Namen wollte die Sprecherin aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht nennen.

Intendantin Berman: Kritikerin "in ihrer persönlichen Integrität verletzt"

"Wir sind überaus bestürzt und bitten um Entschuldigung. Wir haben uns um die Betroffene gekümmert und uns persönlich bei ihr und auch öffentlich entschuldigt. Die Staatsoper Hannover ist ein offener Ort des respektvollen Miteinanders und Austausches", teilte die Intendantin der Staatsoper, Laura Berman, in einem Statement mit. Wiebke Hüster sei "in ihrer persönlichen Integrität verletzt worden". "Wir sind der Meinung, dass nun Ruhe und Sorgfalt geboten sind."

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Goecke reagiert auf Instagram

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FAZ: Goecke drohte mit Hausverbot und wurde handgreiflich

Nach Angaben der FAZ fühlte sich Goecke offenbar provoziert durch Hüsters Rezension seines Den Haager Ballettabends "In the Dutch Mountains". Goecke habe ihr zunächst ein "Hausverbot" angedroht und ihr vorgeworfen, für Abonnementskündigungen in Hannover verantwortlich zu sein, schildert die FAZ den Vorfall. "Aber wir werten den demütigenden Akt über den Tatbestand der Körperverletzung hinaus auch als einen Einschüchterungsversuch gegenüber unserer freien, kritischen Kunstbetrachtung", schreibt die Zeitung weiter. Die "Grenzüberschreitung" von Goecke offenbare "das gestörte Verhältnis eines Kunstschaffenden zur Kritik".

Feuilleton-Chef: "Erkennen keine systematische Verletzung"

Die Überreaktion des Ballettdirektors bleibt für die FAZ rätselhaft. Die von ihrer Journalistin Hüster verfasste Kritik sei zwar besonders kritisch ausgefallen, aber nicht in irgendeiner Form herabsetzend, sagte Feuilleton-Chef Matthias Alexander dem NDR Niedersachsen. "Wir können keine systematische Verletzung erkennen und es gibt auch keine Vorgeschichte", so Alexander weiter.

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Journalisten-Verband: "Attacke auf die Pressefreiheit"

Auch der Deutsche Journalisten-Verband Niedersachsen verurteilte den Angriff aufs Schärfste. "Ein Künstler muss Kritik ertragen, auch wenn sie überzogen erscheinen mag. Wer auf Kritik mit Gewalt reagiert, der ist nicht tragbar", schreibt der Landesvorsitzende Frank Rieger auf Twitter. Er forderte eine deutlichere Reaktion der Verantwortlichen: "Die Erklärung der Staatsoper zu dem Vorfall ist unzureichend, denn der Angriff auf die Journalistin der FAZ ist auch eine Attacke auf die Pressefreiheit."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Funkbilder - der Tag | 13.02.2023 | 16:00 Uhr

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Theater

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