THW Kiel in der Krise - Meisterschaft vorerst kein Thema mehr
Für den erfolgsverwöhnten THW Kiel läuft es in dieser Bundesliga-Saison nicht rund: nach neun Spielen nur Rang drei und schon sechs Minuspunkte. Die 23. deutsche Handball-Meisterschaft ist in weite Ferne gerückt.
Bei dem einen oder anderen Kieler dürften Erinnerungen an die Spielzeit 2017/2018 wach werden. Damals geriet der THW ebenfalls nach gutem Start aus dem Tritt, vier Liga-Niederlagen in fünf Spielen schlugen zu Buche. Am Ende wurden die Schleswig-Holsteiner nur Fünfter, schieden im DHB-Pokal im Achtel- und in der Champions League im Viertelfinale aus. Es war der Anfang vom Ende der Ära Alfred Gislason. Nach der Sommerpause kam Filip Jicha als Co-Trainer hinzu, 2019 beerbte der langjährige THW-Profi seinen vormaligen Chef.
Nach vier Spielen ohne Sieg abgerutscht
Heuer warten die Schleswig-Holsteiner seit mittlerweile vier Bundesliga-Spielen auf einen Sieg. Der nach wie vor verlustpunktfreie SC Magdeburg ist an der Tabellenspitze enteilt. Und auch die Füchse Berlin haben erst einen Minuspunkt auf dem Konto - aus dem Duell mit dem THW.
Doch nicht nur die Tatsache, dass die Kieler die beiden Vergleiche mit dem Top-Duo nicht gewinnen konnten, nagt an den "Zebras". Es war die Niederlage bei Aufsteiger TuS-N Lübbecke am vergangenen Samstagabend, die das Fass zum Überlaufen brachte.
Wegen der Länderspielpause steht das nächste Pflichtspiel der Kieler erst am 11. November an - gegen den Bergischen HC. Jicha und Geschäftsführer Viktor Szilagyi haben das Team jedoch vorab gehörig in den Senkel gestellt.
"Blamage", "Riesen-Enttäuschung", "unentschuldbar"
"Das ist eine sehr bittere Pille für uns. Mehr noch: eine Blamage", schimpfte Jicha nach dem 25:29 in Lübbecke. Der Coach sprach von "zu vielen Ausreden", redete von "viel Unruhe" und davon, dass "keiner" am Ende Verantwortung übernommen hätte - und so kam der frühere Welthandballer nach der "Riesen-Enttäuschung" zu dem ernüchternden Schluss: "Momentan müssen wir über die Meisterschaft nicht reden." Zuvor hatte Szilagyi bereits bei "sky" vorgelegt: "Das ist unentschuldbar."
So reicht es auch für die Bundesliga nicht
Auf das THW-Team ist in den vergangenen Wochen einiges eingeprasselt: Verletzungen, die jüngsten Corona-Infektionen von Steffen Weinhold sowie Sander Sagosen und nicht zuletzt das Hin und Her um den Wechsel des norwegischen Superstars, der am Sonntag mit der Vorstellung in Trondheim offiziell gemacht worden ist.
In Lübbecke stand Sagosen erstmals nach seiner Quarantäne wieder auf dem Feld - und steuerte gleich sieben Treffer bei. Allerdings waren vier Siebenmeter darunter.
Natürlich ist auch den Spielern klar, dass es so nicht weitergehen kann. Der THW sei "eigentlich chancenlos" gewesen, sagte Spielmacher Domagoj Duvnjak nach der Partie. Es gelte, nach vorn zu schauen, "mit solchen Spielen gewinnen wir aber nicht in der Bundesliga".
Kiel muss sich auf das Wesentliche besinnen
In der Champions League sind die THW-Handballer zwar auf einem guten Weg, in der deutlich schwächer besetzten Gruppe A einen der zwei ersten Plätze zu belegen. Die klare Niederlage in Montpellier und das Remis zu Hause gegen Szeged haben aber ebenfalls Steigerungspotenzial offenbart.
Am Ende gilt für ein individuell so stark besetztes Team wie das aus Kiel das gleiche wie für alle anderen Mannschaften auf der Welt: Ohne richtigen Zusammenhalt und Kampfgeist klafft zwischen der möglichen und der tatsächlichen Leistung mitunter eine große Lücke.
