Fußballfans, die gegen die Super League protestieren © Witters

Super-League-Aus: Fanforscher Gabler warnt vor zu viel Euphorie

Stand: 22.04.2021 17:05 Uhr

Wissenschaftler Jonas Gabler von der Kompetenzgruppe für Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit (KoFas) in Berlin warnt im NDR Interview davor, das Scheitern der Super-League-Pläne als allzu großen Erfolg für die Fans zu verbuchen. Mit der bereits beschlossenen Reform der Champions League gehe die UEFA in eine ähnliche Richtung, wie es die Pläne der anvisierten neuen europäischen Eliteliga vorgesehen hatten.

Herr Gabler, "Ein Sieg der Fans", urteilte das Fachmagazin "kicker" nach dem Scheitern der Super League, Prinz William äußerte sich als Präsident des englischen Fußballverbandes und schwärmte von der Kraft der vereinten Stimme der Fußballfans. Hat der Protest der Fans gegen dieses Projekt wirklich so viel bewirkt?

Jonas Gabler © Imago Images
Die Entwicklung ist nicht gestoppt, sagt Fanforscher Jonas Gabler.

Jonas Gabler: Ich teile die Euphorie nicht. Denn die Entwicklung, die hinter den Plänen stand, ist durch das Scheitern der Super League nicht gestoppt. Durch die Reform der Champions League, die parallel beschlossen wurde, geht die Schere zwischen großen und kleineren Clubs weiter auseinander. Gerade die Tatsache, dass sich für die Champions League ab 2024 zwei Teams nicht sportlich nach dem aktuellen Abschneiden, sondern über eine Fünf-Jahres-Rangliste qualifizieren können, beeinflusst den Wettbewerb. Insofern sehe ich nur einen Teil- oder gar einen Pyrrhussieg. Aber - betrachtet man jetzt nur das Projekt Super League - dann muss man sagen, dass die Fans ihren Anteil gehabt haben, dass es gescheitert ist.

Inwiefern? Durch den Protest etwa beim FC Chelsea an der Stamford Bridge oder durch "Shitstorms" bei Twitter?

Gabler: Ich denke da weiter zurück. Die Fans führen seit Jahren eine öffentliche Debatte über Kommerzialisierung und mahnen immer wieder, dass das Rad zu weit gedreht wird. Das bekommen auch Spieler und Trainer mit, sie haben sich auch deshalb kritisch positioniert, weil sie die Fans gehört haben.

Einige Funktionäre wie Liverpool-Boss John W. Henry haben sich nach dem Rückzieher bei den Fans entschuldigt. Man habe sich vertan, das kann man aus vielen Äußerungen herauslesen. Halten Sie das für glaubwürdig?

Gabler: Da habe ich Zweifel. Ich glaube, die Super League war eine Art Testballon. Einige Vereine, insbesondere die spanischen und italienischen, stehen unter erheblichem wirtschaftlichen Druck. Man hat gehofft, dass man damit durchkommt und die Reaktionen waren eben vernichtend. Jetzt versucht man das so zu framen, dass man zum Wohle der Fans darauf verzichtet habe und sich entschuldigt.

Fan-Organisationen haben jetzt Anhänger dazu aufgefordert, auch in anderen Bereichen aktiv zu werden. "Wir rufen alle Fußballfans auf: Die Zeit für einen noch konsequenteren und lauteren Widerstand ist gekommen. Die Ereignisse der letzten Tage haben gezeigt, was möglich ist", schreiben neun Bündnisse und Initiativen am Donnerstag in einer gemeinsamen Stellungnahme. Ist auch aus Ihrer Sicht jetzt die Gelegenheit günstig, Dinge voranzutreiben, die Fans wichtig sind?

Gabler: Definitiv. In der Öffentlichkeit, mindestens mal in der Fußball-Öffentlichkeit, gibt es für das Thema der Fanmitbestimmung jetzt eine Aufmerksamkeit. In der Corona-Pandemie hat sich auch zuvor schon gezeigt, dass das Pendel zu weit in Richtung Kommerzialisierung und Eventisierung ausgeschlagen ist. Und diese Kritik wird nun nicht mehr nur in der Szene, sondern auch in breiteren Fankreisen problematisiert. Das erhöht den Druck auf Vereine und Verbände, Reformen einzuleiten und zu einem ausgeglicheneren Wettbewerb zu kommen. Obwohl ich mir da schon die Frage stelle, ob dazu ein Protest ausreicht oder ob am Ende immer die wirtschaftlichen Zwänge und Argumente ausschlaggebend für die Entwicklung im Fußball sein werden.

Sie haben die umstrittene Reform der Champions League angesprochen. Weil sich alle Augen auf die Super League richteten, fiel die Kritik daran noch relativ gering aus…

Gabler: Die UEFA war plötzlich in einer Situation, in der die Funktionäre sich als "die Guten" ausgeben konnten, als Bewahrer des fannahen Fußballs. Das ist weit weg von der Realität. Die UEFA ist in den letzten Jahren immer der Ökonomie und den Interessen der großen Clubs gefolgt und hat sich um die Sichtweise und die Forderungen von Fans wenig geschert.

Das Interview führte Inka Blumensaat

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 25.04.2021 | 22:50 Uhr

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