Dortmunds Giovanni Reyna und Thorgan Hazard jubeln, Kiels Marco Komenda (l.) ist enttäuscht. © Witters

Holstein Kiel: Den Albtraum vergessen, den Traum leben

Stand: 02.05.2021 11:29 Uhr

Bei Holstein Kiel richtet sich der Blick nach der 0:5-Pleite im Halbfinale des DFB-Pokals bei Borussia Dortmund auf den Bundesliga-Aufstiegskampf. Die KSV hat dort alle Trümpfe in der Hand. Doch können die "Störche" das Debakel gegen den BVB so einfach abschütteln?

von Hanno Bode

Erneut hatte sich Thomas Dähne vergeblich gestreckt. Auch beim fünften Gegentreffer durch Jude Bellingham (42.) war der Holstein-Keeper am Samstagabend machtlos gewesen, zumal sein Vordermann Simon Lorenz den Schuss des Engländers noch abgefälscht hatte. Nun kniete der 27-Jährige auf dem Rasen, blickte in die ein paar Meter vor ihm stehende Dortmunder Jubeltraube und bekam von BVB-Kapitän Marco Reus einen Klaps auf die Schulter. Der Nationalspieler wollte dem Torwart ein wenig Trost spenden. Seine fein gemeinte Geste drückte jedoch noch etwas anderes aus: Mitleid mit einem hoffnungslos unterlegenen Gegner.

Nie zuvor in der Historie des DFB-Pokals hatte es in einem Vorschlussrunden-Duell zur Halbzeit 5:0 gestanden. Holstein schrieb am Samstagabend unfreiwillig Fußball-Geschichte. Die Gründe für die in der Höhe sehr schmerzhafte Kieler Niederlage waren mannigfaltig und rückten das Resultat in ein anderes Licht.

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Werner: "Wir kommen mehr oder weniger von der Couch"

Vielleicht nicht der entscheidende, aber ganz gewiss ein ausschlaggebender Punkt für die Schmach war die Vorbereitung der KSV auf ihr Spiel des Jahres. Bereits zum zweiten Mal in dieser Saison hatten die Schleswig-Holsteiner wegen positiver Corona-Befunde in ihrem Team für 14 Tage in Quarantäne gemusst. Kaum war diese beendet, standen zwei Zweitliga-Partien gegen den VfL Osnabrück (3:1) und den 1. FC Nürnberg (1:1) für die "Störche" auf dem Programm. Die körperliche Verfassung der Kieler konnte für das BVB-Duell also gar nicht optimal sein. Und war sie dann auch nicht. "Der Gegner steht voll im Saft. Und wir kommen mehr oder weniger von der Couch", gab Coach Ole Werner nach der Partie zu bedenken.

Allerdings wollte der 32-Jährige die zweiwöchige Homeoffice-Zeit auch nicht als alleinige Ausrede gelten lassen. "Wir sind enttäuscht darüber, dass wir es nicht geschafft haben, wehrhafter zu sein. Nach dem 0:1 hat uns eigentlich fast alles gefehlt, um auch nur in die Nähe einer Sensation zu kommen", prangerte er insbesondere das zu passive Zweikampfverhalten seines Teams an.

Holstein zu lieb und artig für ein Halbfinale

Und diesen Vorwurf mussten sich die Holstein-Profis gefallen lassen. Viel zu weit standen sie häufig von ihren Gegenspielern weg und zierten sich zudem, sich auch einmal durch ein Foulspiel etwas Respekt zu verschaffen. Kurzum: Kiel war viel zu artig und lieb für ein Alles-oder-nichts-Spiel. "Man kann hier verlieren, aber wir hätten sie nicht so spielen lassen dürfen. Das schmerzt", sagte Routinier Fin Bartels. Sein Coach Werner ergänzte: "Immer dann, wenn es darum ging, den letzten Schritt zum Ballführenden zu machen, hat uns das gefehlt." Das Resultat der "vornehmen" Zurückhaltung war eine Begegnung, die für Dortmund nach der Pause lediglich noch besseren Trainingscharakter hatte.

Hatte Reus bereits kurz vor der Pause mit seinem Klaps für Dähne Mitleid gezeigt, taten es die Hausherren nach dem Seitenwechsel im Kollektiv. "Dortmund hat zwei Gänge heruntergeschaltet", stellte "Störche"-Kapitän Hauke Wahl treffend fest, lobte aber gleichzeitig, dass seine Mannschaft in Abschnitt zwei "ein anderes Gesicht" gezeigt habe.

Kiel will Pleite aus den "Klamotten schütteln"

Die ordentliche Vorstellung nach der Halbzeit sowie der Umstand, in den zweiten 45 Minuten kein weiteres Gegentor kassiert zu haben, konnte den Schmerz über das Debakel bei vielen Holstein-Profis unmittelbar nach dem Abpfiff aber nicht lindern. Mit leeren Blicken standen sie auf dem Rasen, einige schienen nach dem Platzen des Endspiel-Traums gar den Tränen nah. Werner war im Mannschaftskreis, der aus der Vogelperspektive wie ein Herz aussah, zwar bemüht, den Seinen Mut zuzusprechen. Doch ob der 32-Jährige in diesen bitteren Momenten Gehör bei den Holstein-Profis fand, ist ungewiss. "Wir sind heute enttäuscht, sehen aber zu, dass wir diese Niederlage aus den Klamotten schütteln. Denn wir haben in der Liga noch Ziele", erklärte der Coach.

KSV-Kontrastprogramm: Nach Dortmund wartet Sandhausen

Dem Dortmunder Albtraum soll nun die Erfüllung des Bundesliga-Traums folgen. Mit einem Erfolg am Dienstag in der Nachholpartie gegen den SV Sandhausen (18.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) kann die KSV auf Relegationsplatz drei springen. Bereits drei Tage später steht das Nordduell mit dem formstarken FC St. Pauli auf dem Programm (Freitag, 18.30 Uhr). Zwei Spiele, die Aufschluss darüber geben werden, ob Holstein aus der kostenlosen Lehrstunde im Pokal die richtigen Konsequenzen gezogen hat. Sollte dem nicht so ein, könnte es am Saisonende für die "Störche" erneut etwas geben, was doch eigentlich kein ehrgeiziger Sportler mag: Mitleid...

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Dieses Thema im Programm:

Sportschau | 01.05.2021 | 20:15 Uhr

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