Datenanalyse: Die "Kogge" Hansa Rostock ist ein Ruderboot ohne Ruder

Stand: 02.03.2024 15:28 Uhr

Der FC Hansa Rostock steht in der 2. Liga mit dem Rücken zur Wand. Der neue Trainer Mersad Selimbegovic bekommt die "Kogge" im Abstiegskampf einfach nicht auf Kurs, wie die Daten zeigen. Die Situation erinnert fatal an die vergangene Saison. Doch was könnte jetzt helfen?

von Tobias Knaack

"Wir müssen uns schütteln und versuchen, es besser zu machen. Es ist klar, dass es immer schwerer wird, desto weniger Ergebnisse du ziehst", sagte der Coach der Mecklenburger nach der enttäuschenden 0:2-Niederlage am 23. Spieltag.

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Rostocks Daniel Dressel ist enttäuscht. © IMAGO / Ostseephoto

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Allerdings war es nicht der aktuelle Hansa-Trainer Selimbegovic, der diese Aussage nach der jüngsten 0:2-Pleite bei Fortuna Düsseldorf am vergangenen Sonntag tätigte.

Die Analyse stammt von Patrick Glöckner - Selimbegovics Vor-Vor-Vorgänger im Amt - aus dem frühen März 2023. Die "Kogge" hatte gegen den Karlsruher SC verloren. Ebenfalls am 23. Spieltag, ebenfalls 0:2. Damit verbunden: das Abrutschen auf Rang 14, Relegationsrang 16 und der erste direkte Abstiegsplatz waren nicht mehr weit entfernt.

Hansa steht vor den gleichen Problemen wie vor einem Jahr

Ein knappes Jahr später, der 23. Spieltag der Saison 2023/2024 ist gerade Geschichte und Hansa zwei Trainer weiter, steht der FCH nach der Niederlage im Rheinland auf genau diesem ersten direkten Abstiegsrang - und kommt erneut nicht von der Stelle.

War der Auftritt beim 2:2 gegen den Tabellendritten HSV in der Vorwoche noch ein kleiner Mutmacher, lieferte die Begegnung in Düsseldorf keine Argumente, wieso sich die Rostocker in den verbleibenden elf Spielen noch einen Rang - oder gar zwei Plätze - nach oben verbessern und den Abstieg abwenden sollten.

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Hansa im Februar 2024 - das ist meist planlos, ideenlos und in der Konsequenz: schlicht chancenlos. Der Befund, das zeigen auch die GSN-Daten, ist dabei in vielerlei Hinsicht deckungsgleich mit dem vor zwölf Monaten. Auch damals krankte es bei den Mecklenburgern massiv in der Offensive. Waren es vor einem Jahr nur 18 eigene Treffer, sind es dieses Mal leicht verbesserte 22 Tore. Das ist aber immer noch der zweitschlechteste Wert der Liga.

Lahmendes Offensivspiel

Seit dem guten Saisonstart mit drei Siegen aus vier Partien noch unter Selimbegovics direktem Vorgänger Alois Schwartz befindet sich der FC Hansa in einem Abwärtsstrudel. Ob Tore pro Partie (nicht mal eines), Schüsse pro Begegnung, Torschussvorlagen oder ganz allgemein erfolgreiche Offensivaktionen: In fast jeder erdenklichen Offensiv-Statistik rangiert die Selimbegovic-Elf auf einem der hinteren Plätze, meist auf dem letzten Rang.

Dasselbe gilt - und hängt fatal mit dem mauen Offensivspiel zusammen - für das Passspiel der Mannschaft. Erfolgreiche Pässe, Schlüsselpässe, Offensivpässe oder auch einfach nur: Pässe nach vorne. In jeder dieser Statistiken sind die Mecklenburger das Schlusslicht der Liga. Im Umschalten das zweitschlechteste, im Tempospiel das drittschlechteste Team. Zusammengefasst: Die Mannschaft tut sich unglaublich schwer, den Ball nach vorne zu tragen.

Schlechte Laufwerte, schwaches Zweikampfverhalten

Das hängt sicher auch mit den schlechten Laufwerten zusammen: Auch bei der Gesamtzahl der abgespulten Kilometer, den Sprints und den intensiven Läufen hat Rostock die Werte eines Absteigers. Entsprechend gering sind die Anspieloptionen für den ballführenden Spieler, entsprechend schwer tut sich das Team, gefährliche Räume des Gegners zu bespielen.

Hinzu kommen Defizite im Zweikampfverhalten und laut Bundesliga-Datendienstleister AWS die höchste Zahl an Fouls. Ein düsteres Gesamtbild, das trotz des Trainerwechsels von Schwartz auf Selimbegovic immer finsterer wird: Zwar gibt es seit seiner Amtsübernahme leichte Verbesserungen bei den Angriffen aus dem freien Spiel, den Schüssen auf das Tor und beim Mannschaftspressing, allerdings in homöopathischen Dosen.

Viele Hansa-Akteure spielen unter Selimbegovic schlechter

Viele Werte haben sich in den vergangenen Begegnungen sogar verschlechtert: Die Wahrscheinlichkeit eigener Tore ist gesunken (von 0,99 auf 0,73), die Wahrscheinlichkeit gegnerischer Treffer hingegen gestiegen (von 0,84 auf 1,03). Die Zahl der Ballverluste ist hoch gegangen (von 111 auf 124 pro Partie), die Zahl der Umschaltmomente hat sich halbiert (von 6,35 auf 3,17).

Und mit Blick auf die Leistung der Spieler? Ist der Performance-Score der meisten Hansa-Akteure unter Selimbegovic abgesackt. Lediglich Oliver Hüsing, Janik Bachmann und Kai Pröger erzielen bessere Werte als unter Schwartz. Der Gesamt-Performance-Score des Teams ist von 59,17 auf 56,20 gesunken.

Festlegen auf ein System

Ein Effekt des Trainerwechsels lässt sich nach einem Drittel der Rückrunde nicht erkennen, eher im Gegenteil. Und so ist die stolze "Kogge" in diesen Wochen immer mehr ein Ruderboot - und zwar ohne Ruder. Eine Mannschaft ohne Orientierung, Ideen und ohne erkennbare eigene Mittel, die helfen könnten, einen Gegner zu schlagen. Was also tun, um dem Trudeln im Strudel entgegenzuwirken?

Zunächst: Selimbegovic sollte aufhören, selbst ein Suchender zu sein. Er muss eines der Hauptprobleme der Mannschaft anpacken: In sechs Partien unter ihm gab es fünf verschiedene Systeme. Gerade im Abstiegskampf wären aber Kontinuität und ein eingespieltes Team wichtig. Der Bosnier bevorzugt ein 4-2-3-1, für die ihm zur Verfügung stehenden Spieler aber ist das den Daten nach nur die 14.-beste Option. Ideal wäre demnach ein 4-1-2-3. Oder ein 5-3-2 wie gegen den HSV.

Die besten Positionen für Spieler finden

Wichtig wäre zudem, die Spieler nicht permanent umherzuschieben, sondern sie dort einzusetzen, wo sie ihre Stärken haben. Beispiel Bachmann: Der 27-Jährige hat in den sechs Begegnungen unter Selimbegovic auf vier verschiedenen Positionen gespielt - Rechtsverteidiger in der Viererkette, rechter Innenverteidiger in der Dreierkette, zentrales Mittelfeld, offensives Mittelfeld.

Manche Umstellung ist sicher auch den jüngsten Ausfällen und Sperren geschuldet gewesen, dennoch gilt es, Kontinuität und Stabilität zu finden. Und das im besten Fall bereits am heutigen Sonnabend, wenn es im Ostseestadion zum "Abstiegskracher" gegen den Tabellennachbarn Kaiserslautern kommt (13 Uhr, im NDR Livecenter).

Wie gegen den 1. FC Kaiserslautern aufstellen?

Den Daten nach die beste Aufstellung der "Kogge" wäre: Kolke - Stafylidis, David, van der Werff, Lang - Dressel - Vasiliadis, Singh - Fröling, Pröger, Perea.

Wie der Trainer, der seiner Mannschaft bei seinem Amtsantritt "genug Qualität" für den Klassenerhalt attestiert hatte, gegen den FCK entscheidet, bleibt abzuwarten.

"Wir spüren den Druck", sagte der Coach vor der so eminent wichtigen Partie. Der sei aber "normal im Profisport. Man muss damit umgehen können." Das sicherzustellen und die Qualität seiner Spieler zur Geltung zu bringen, ist seine Aufgabe. Sonst könnte Selimbegovic das gleiche Schicksal ereilen wie seinen Vor-Vor-Vorgänger Glöckner. Der musste nach nur zehn Spielen im vergangenen Frühjahr seinen Posten wieder räumen.

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