Schwermütige Zärtlichkeit
Das mythische Avalon ist für Yuri Honing eine Metapher für die heutige Zeit, in der ungewiss ist, wie die Welt nach der Pandemie aussehen und wohin der Weg uns führen wird.
Wenn man als Musiker das Corona-Jahr 2020 reflektiert, dann hat das viel mit Schmerz zu tun. Der war besonders da fühlbar, wo man keine Konzerte mehr spielen und den Kontakt zum Publikum nicht mehr in gewohnter Art und Weise herstellen konnte. Wo es problematisch war, mit den Kollegen auf der Bühne und in Proberäumen oder für gemeinsame Aufnahmen im Studio zu stehen. Oder, noch viel existentieller, den Lebensunterhalt zu verdienen wie bisher. Für die meisten Musiker ein abrupter Stopp alles Selbstverständlichen. Eine Zeit, in der vielen Künstlern über Wochen und Monate nur der Rückzug in das Familiäre oder in das eigene Innere blieb. Eine bedrückende Zeit, in der der Wert von Profession und Passion so sehr infrage gestellt wurde wie nie zuvor. Viele Musiker haben infolge der Kontaktbeschränkungen zwangsläufig das Format ihrer Bands verkleinern müssen oder sind gleich ganz allein ins Studio gegangen, wie z. B. die Pianisten Brad Mehldau oder Michael Wollny. Der niederländische Saxofonist Yuri Honing hat sich derweil auf das Duo-Format mit dem Pianisten Wolfert Brederode fokussiert. Mit ihm zusammen hat er im Juli 2020 die genauso zärtliche wie schwermütige Musik zum Album "Avalon Songs" aufgenommen, das Ende 2020 erschienen ist.
Magische Klangräume
Avalon ist einem alten keltischen Mythos zufolge eine Insel in dichtem Nebel, wo sich der Heilige Gral befinden und König Artus begraben sein soll. Für Yuri Honing eine Metapher für die heutige Zeit, in der ungewiss ist, wie die Welt nach der Pandemie aussehen und wohin der Weg uns führen wird. Mit großer Ruhe und Sanftheit lassen er und Wolfert Brederode die musikalischen Themen der acht Songs anklingen und ziehen uns soghaft in magische Klangräume. Klangräume, in denen sich die Zeit aufzulösen scheint, aber eben auch Trauer und Schmerz. Im Repertoire der beiden Musiker finden sich Stücke von Billy Strayhorn, Charlie Haden oder Friedrich Hollaender, deren ursprünglichen Duktus sie allerdings weit hinter sich lassen. Und sie setzen auch die eigenen Kompositionen auf die Agenda. In "The Flowers Die Of Love", dem Finale dieses Albums, spürt man größtmögliche Fragilität und eine leise Erinnerung an John Coltranes Hymne "After The Rain".
Avalon Songs
- Genre:
- Jazz
- Zusatzinfo:
- Label:
- Challenge Records
- Veröffentlichungsdatum:
- 20.11.2020
- Preis:
- 19,99 €
